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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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Ton anschlug, folgten Beschlüsse, die sie sich seit Langem durch den Kopf hatte gehen lassen und die so durchdacht waren, dass sie unwiderruflich schienen. Er musste dann immer sehen, wie er es mit sich und seinem Gewissen vereinbaren konnte. Bislang war ihm das stets gelungen. Krechting war mit den Jahren ruhiger geworden, hatte sich sogar mit all diesen Dingen angefreundet. Wichtig war ihm einzig und allein, das Vertrauen der Herrin nicht zu enttäuschen, denn dann würde er in einem Maße an Macht und Ansehen verlieren, dass es für ihn nicht zu ertragen war. Seine ganzen Opfer für die Täuferbewegung waren nur dann sinnvoll, wenn er weiter die Geschicke der Herrlichkeit lenken und auch Einfluss darauf nehmen konnte.
    »Ich habe Euch vor drei Jahren zum Armen- und Kirchenvorstand ernannt, und bislang habt Ihr Eure Sache gut gemacht. Mit den Einschränkungen, auf die ich Euch im letzten Gespräch schon hingewiesen habe. Dafür spreche ich Euch meine volle Hochachtung aus. Nun ist mir gerade zu Ohren gekommen, dass Dr. Westerburg nach Emden reisen will. Ich denke, es ist ein guter Gedanke, wenn Ihr Euren alten Freund sofort begleitet und diese Reise nicht aufschiebt. Bringt alles dortige Wissen über die Armenfürsorge mit! Danach werdet Ihr Euch, wie abgesprochen, mit Valkensteyns Freund zusammentun und hier ein florierendes Armenwesen umsetzen.« Sie seufzte. »Wie ich Euch beneide! Ich wünschte, ich könnte nach Emden reisen. Ich plane übrigens, dort ein Stadthaus zu errichten, damit wären mir die Wege dorthin besser geebnet, und ich könnte meine Geschäfte in der Stadt einfacher erledigen. Das Gödenser Haus in Emden! Auch darum könnt Ihr Euch schon kümmern.« Sie sah noch einmal in die Runde. »Ich glaube, das wäre es fürs Erste, meine Herren!«
    Hiske saß in ihrer Küche, sie konnte trotz der durchwachten Nacht nicht schlafen, obgleich der Tag sich schon bald dem Ende zuneigte. Zum einen gingen ihr Jans und Annekes Blicke nicht aus dem Kopf, zum anderen war sie entsetzt über den Tod Friso van Heeks. Er hatte einen merkwürdigen Eindruck auf sie gemacht. Warum hatte er so nachdrücklich versucht, das Medaillon unter seinem Hemd zu verbergen, und warum war es war ihm ganz und gar nicht recht gewesen, dass Hiske es bemerkt hatte. Zu schnell war sein Griff gewesen, zu oberflächlich die Antwort. Hinzu kam diese tiefe und breite Narbe. Die Angelegenheit sei lange vergessen, hatte er gesagt. Konnte man eine solche Verletzung einfach beiseiteschieben? Hiske zweifelte daran.
    Sie betrachtete die Narben an ihren Handgelenken. Auch sie waren für jedermann sichtbar, und nicht selten wurde sie von den niederkommenden Frauen nach der Ursache für diese Verletzungen gefragt. Sie reagierte ähnlich wie Friso van Heek. »Das ist lange vorbei und vergessen.« Und doch gab es nichts, was vergessen war. Gar nichts. Jede Nacht wurde sie von den Bildern heimgesucht. Wie sie hilflos im Kerker auf dem kahlen Boden lag, von ihrem eigenen Urin durchnässt, weil der Fäkalieneimer zu weit entfernt stand. Des Morgens kam der Wächter und goss kaltes Wasser über sie, damit sie nicht vor Dreck erstarrte. Vermutlich auch, weil er den Geruch nicht ertragen konnte. Die offenen Stellen, wo die Metallschellen sich tief in ihre Haut gefressen hatten, brannten, als halte der Wächter stetig seine Fackeln daran. Oh nein, Hiske konnte das nicht vergessen.
    Im Kerker von Jever hatte sie jeglichem Glauben abgeschworen und einen Abscheu empfunden, den sie damals nicht mehr steuern konnte, sodass sie wüste Beschimpfungen auf ihre Peiniger losgelassen hatte, als sie glaubte, es ginge zu Ende mit ihr. Dieser Groll bestimmte nun nicht länger ihr Leben, sie wollte es nicht mehr. Hiske war froh, dass es ihr gelungen war, auch wenn sie nie vergessen würde. Aber sie konnte keinem mehr trauen, war vorsichtig wie eine Maus geworden.
    In den Augen Frisos jedoch hatte, neben seiner nach außen hin freundlichen Art, genau das gelegen: Der Mann hasste mit jeder Faser seines Lebens. Sein Hass fokussierte sich allerdings nicht auf einen Menschen oder eine Sache. Friso van Heek lehnte die ganze Welt ab. Er konnte nur deshalb bestehen, weil er, wie ein Gaukler, vorspielte, alles sei in Ordnung und er sei ein freundlicher und ausgeglichener Mensch.
    »Der Mann hatte dieses Medaillon nicht rechtmäßig bei sich«, sagte Hiske leise zu sich selbst. »Er hat es jemandem weggenommen, und für denjenigen war es von unschätzbarem Wert!« Die Gedanken

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