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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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sich bewegt und aus der Ecke nun genau die Geräusche kommen, die es von den anderen Kammern her kennt. Mutter hört nicht das lautlose Weinen, merkt nicht, dass das Kind auch von dem Wenigen kaum isst. Wenn der Tag die Nacht ablöst, sitzt Mutter am wackeligen Tisch, stiert auf den Rest der rußigen Unschlittkerze.
    Das Kind stromert immer öfter durch die Gassen Amsterdams. Steht vor den Wagen auf den Märkten, schaut den Gauklern zu, fürchtet sich vor dem Bären mit dem Ring in der Nase oder vor dem großen Affen, der Grimassen macht wie das Kind und den Menschen so ähnlich sieht.
    Manchmal steht es vor dem Wagen des Seifensieders, der duftende Seifen verkauft. Einmal hat das Kind eine gestohlen. Es konnte nichts dafür, die dünnen Finger haben von ganz allein danach gegriffen. Das Stück Seife bewahrt es nun unter dem Strohkissen auf. Wenn es groß ist, will es ganz viele davon haben. Nie wieder den Schmutz um sich spüren, der es nun umhüllt.

5. Kapitel
    Krechting war von der Neustadt aus auf dem Weg zu Hebrich von Knyphausen. Die neuerlichen Ereignisse, die ihm sein Neffe vorhin mitgeteilt hatte, waren höchst unerfreulich und konnten das Leben in der Neustadt wieder nachhaltig zum Schlechten beeinflussen. Die Häuptlingswitwe würde außer sich sein. Er erinnerte sich mit Schaudern an den Mord an Cornelius von Ascheburg vor drei Jahren. Krechting gab der Sache von damals einen großen Teil der Schuld daran, dass er sich in seinem Glauben so verbiegen musste. Wer wusste schon, was der Herrin nun wieder einfallen würde. Hatte er nicht Last genug zu tragen? Hinrich war sich bewusst, dass er undankbar war, denn Hebrich von Knyphausen galt als gerechte und starke Herrin. Sie hatte es ihm erlaubt, die Täufer ins Land zu holen, sie hatte die Neustadt geplant und sich immer von ihm beraten lassen. Im Gegensatz zum Grafen von Oldenburg, der ihn später doch in die Verdammung geschickt hatte, nachdem die Versöhnung mit Bischof von Waldeck aus Münster wichtiger geworden war als die Unterstützung für ein neues Täuferreich. Diese Wunde schmerzte Krechting noch immer zutiefst. Oldenburg war nach Münster sein großer Traum gewesen. Aus. Vorbei.
    Nun musste er in der Herrlichkeit mit dem vorliebnehmen, was man ihm als Almosen zuwarf, und das war von Hebrichs Seite nicht wenig, wenn auch lange nicht das, was er sich eigentlich erhofft hatte. Er hatte viele Einschränkungen hinnehmen müssen, viele Dinge konnte und durfte er nicht so leben, wie es sich für einen Täufer ziemte. Er musste das Beste aus allem machen und wurde dabei immer in sich gekehrter. Seine Frau Elske klagte nicht, aber er sah ihr an, wie sehr sie unter seinen Launen und seiner Unbeherrschtheit litt. Zumindest würde er seinen Kindern ein ansehnliches Erbe hinterlassen können, und das war für einen Mann wie ihn wahrlich eine Lebenserfüllung. Dennoch war ihm nicht wohl vor der Unterredung mit der Häuptlingsfrau. Wenigstens war er nicht allein. Auch Wolter würde dort sein, und Jan Valkensteyn. Sie hatten die Leichenschau bereits durchgeführt.
    Krechting stürmte über den Burghof, beachtete weder den Dreck noch den Gestank, der ihm dort entgegenwehte, weil sich noch immer etliche Menschen in ihren Wagen und in den Stallungen aufhielten. Menschen, die darauf warteten, dass sie endlich ein Haus oder eine Kammer in der Neustadt bekamen. Eine Zusage, die sie ihnen vor langer Zeit gemacht hatten und die es nun schnell einzulösen galt. Er durfte sich durch nichts abhalten lassen, dieses Vorhaben so rasch es irgend ging umzusetzen.
    Jan Valkensteyn und Wolter Schemering warteten schon am Aufgang. Krechting ließ sich vom Dienstmädchen den Umhang abnehmen. Er war froh, ihn ablegen zu können, es war viel zu heiß für solch dicke Kleidung, aber er in seiner Position musste immer und in jeder Situation die Haltung wahren. Dazu gehörte auch das entsprechende Auftreten vor der Herrscherin.
    Hebrich von Knyphausen saß bereits am Tisch, ihr Blick war starr, sie hatte die Lippen fest zusammengepresst. Sie trug wie immer ihre weiße Haube, die hinten von einer teuren Spitze umfasst war. Die Häuptlingswitwe nickte den Männern zu, wies mit der Hand auf zwei hochlehnige Eichenstühle und ließ Bier servieren. Mit dem letzten Schiff war wieder eine neue Ladung von ordentlich Gebrautem angekommen.
    Hebrich hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf, sondern kam gleich zur Sache. »Wir haben also wieder einen Toten. Kaum glaubt man, es herrsche Ruhe,

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