Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
geschieht so etwas.«
Es klopfte, und der Prediger Dr. Westerburg trat ein. Er trug wie immer seinen goldenen Ring am rechten Zeigefinger und wirkte wie auch sonst sehr gesetzt. Er war vor einiger Zeit aus Zürich zurückgekommen, wo er im Auftrag von a Lasco Heinrich Bullinger getroffen hatte. Sein Plan, einige reformatorische Schriften an die Kölner Theologen zu schicken, hatte ihm mehr Feindschaft als Verständnis eingebracht. Nun wollte er in der Herrlichkeit ein wenig Kraft tanken und anschließend versuchen, nach Köln zurückzukehren.
Er verneigte sich vor Hebrich. »Guten Tag, werte Herrin!« Den anderen nickte er grüßend zu. »Ich habe von der Unbill gehört und dachte, ich könne Euch mit meinem Wissen zur Seite stehen. Ich werde ja noch eine Weile in Ostfriesland bleiben.«
»Bleibt ganz in der Herrlichkeit, reist nicht wieder fort. Ihr könnt die Pfarrstelle in Dykhusen innehaben, solange es Euch beliebt«, sagte Hebrich zur Begrüßung.
»Ich habe auch schon darüber nachgedacht, ganz zu bleiben. Ich möchte regelmäßig zum Coetus der ostfriesischen Prediger reisen. Ihr wisst, dass er einmal wöchentlich stattfindet, und es ist gut, wenn ich möglichst oft zugegen bin. Auch plane ich, in Kürze a Lasco aufzusuchen.«
»Trefft Ihr ihn auf seinem Gut in Loppersum?«, hakte Hebrich nach, aber Dr. Westerburg verneinte. »Nein, er kommt nach Emden. Es ist wichtig, dass wir in Gödens dem Coetus der reformierten Prediger Ostfrieslands entsprechen. Es wäre sehr günstig, wenn a Lasco, vor allem beim Streit um das Abendmahl, eine Einigung für ganz Ostfriesland erzielen könnte, doch im Augenblick sieht es nicht gut aus. Trotz seiner Visitationen, durch die er prüfen lässt, ob auch alle Priester dem rechten Glauben angehören, schleppt sich der Vorgang dahin.«
»Tut, was Ihr für richtig haltet, Dr. Westerburg. Ich sehe, dass Ihr Euer Amt als Prediger in Dykhusen seit zwei Jahren sehr umsichtig ausführt. Mir kommt da gerade ein Ansinnen, das ich gleich vortragen werde, wenn wir das andere unleidige Thema beendet haben.« Sie wandte sich erneut Krechting, Schemering und Valkensteyn zu: »Wie ist der Kaufmann ums Leben gekommen? Kann man ein Fremdverschulden ausschließen?«
Jan Valkensteyn schüttelte den Kopf. »Leider nicht, Herrin. Der Mann ist eindeutig erschlagen und anschließend ins Wasser befördert worden, damit es aussieht, als sei er ertrunken.« Er zögerte, suchte sich dann doch ein paar Worte zusammen. »Ganz genau könnte ich alles darlegen, wenn … wenn ich ihn obduziere.«
Hebrich zuckte zurück. »Leichenfledderei? Ich bitte Euch! Nicht in meiner Herrlichkeit!«
Jan sog die Luft scharf ein. Er schien das befürchtet zu haben. »Ich dachte, Ihr unterscheidet Euch von den Papisten, die es nicht dulden, auch wenn es dem Fortschritt dient«, erzürnte er sich. Dennoch konnte er nun offensichtlich nicht zurück und musste erklären, was genau ihn dermaßen aufbrachte, dass er es wagte, in diesem Ton mit der Häuptlingswitwe zu reden. »Ich habe in Emden mit Cornicius die Schriften des Arztes Vesalius studiert. Er weiß so viel mehr, nachdem er hinter das Fleisch sehen konnte.«
»Ich möchte es nicht«, sagte Hebrich in einem Ton, der keinerlei Widerspruch zuließ. Für Obduktionen war man auch in der Herrlichkeit noch nicht so weit. Selbst wenn mit den daraus resultierenden Erkenntnissen Menschenleben gerettet werden konnten.
Krechting wusste nicht, wie er selbst dazu stand.
Hebrichs Miene nach wollte sie nicht weiter über diesen Punkt reden. »Wieder zurück zum Stand der Dinge.« Sie hob die rechte Braue und musterte Jan Valkensteyn. »Was macht Euch so sicher, dass es kein Unglück, sondern Mord war? Der Mann kann sich den Kopf doch auch an einem Schiff oder Boot aufgeschlagen haben, als er ins Wasser gefallen ist.«
Jan schüttelte vehement den Kopf. »Er ist mit einer Schaufel getroffen worden. Der Abdruck am Hinterkopf ist ganz eindeutig.«
»Also doch wieder Mord«, sagte Hebrich und trank den Becher Bier in einem Zug aus. Sie atmete tief ein. »Dieses Mal haben wir aber kein Täuferproblem. Die Mennisten habe ich in ihre Schranken verwiesen, die Täufer aus Münster verhalten sich still. Es könnte sich um einen Mord aus Habgier handeln. Fehlt dem Mann etwas? Geld oder Ähnliches? Ich denke, er wird als Kaufmann wohlhabend gewesen sein.«
Jan zuckte mit den Schultern. »Das kann ich nicht sagen, Herrin.« Er hielt kurz inne, schien den noch immer zu scharfen Ton,
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