Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
er nicht auf solche Dinge, dazu ist er viel zu einfältig. Na, immerhin weiß der Kerl noch, dass er Friso auf die glorreiche Idee gebracht hat, mich zu ehelichen«, stieß Hiske düster hervor.
Jan legte seine Finger auf ihr Handgelenk. Sie lächelte ihm zu. Über Garbrands Gesicht glitt allerdings ein dunkler Schatten. Er sah rasch weg.
Der Wortsammler saß schweigend daneben und wiegte den Kopf, als denke er über etwas nach. Hiske behauptete stets, dass er diese Geste machte, um seine Gedanken durchzuschütteln und in Ordnung und in eine gewisse Reihenfolge zu bringen, denn es war durchaus nicht untypisch, ihn so zu sehen.
Alle vier nippten am Kräutersud, den Hiske ihnen gebraut hatte. Sie hatte einen beruhigenden Trank hergestellt, eine Mischung aus Hopfen, Blasentang und Johanniskraut. Es schmeckte gewöhnungsbedürftig, zumal das moorige Wasser bei der Hitze noch ungenießbarer war als sonst. Dennoch empfanden es alle als willkommene Abwechslung zum Dünnbier, mit dem sie sonst vorliebnehmen mussten.
»Meerkristall. Meerkristall am Hals«, stieß der Wortsammler mit einem Mal aus. »Großer Messerstich.«
Hiske wusste sofort, wovon der Knabe sprach. Er hatte sowohl das Medaillon als auch die große Narbe am Unterarm von Friso gesehen. Sie beugte sich zum Wortsammler, entzog Jan für einen Moment die Hand und legte sie auf die des Jungen. »Hatte er den Meerkristall auch um, als du ihn in der Nacht verfolgt hast?«
»Nebelschlucker. Finstere Nebelschlucker.« Der Wortsammler zog die Schultern hoch. Er hatte Friso also in der Nacht nicht mehr gesehen, weil ihn die Nacht mit ihren Nebelschleiern verschluckt hatte. Hiske lächelte und sah zu Garbrand und Jan hinüber. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie unbewusst doch Angst gehabt hatte, der Knabe könne etwas mit dem Mord zu tun haben. »Der Wortsammler kann nicht der Mörder sein. Er hat den Kaufmann im Nebel aus den Augen verloren, wie ihr soeben gehört habt.«
Die beiden Männer nickten. Ihnen ging es ebenso wie der Hebamme. Sie waren zwar überzeugt gewesen, dass der Wortsammler unmöglich jemanden umbringen konnte, waren aber jetzt doch erleichtert über die Worte des Jungen.
»Das Medaillon kann natürlich beim Sturz ins Wasser vom Hals des Kaufmanns abgeglitten sein, aber es besteht eben auch die Möglichkeit, dass der Mörder es an sich genommen hat«, sagte Hiske.
»Und ich habe eine Idee, wer es haben könnte«, wandte Garbrand ein, dessen Blick noch immer finster, fast verletzt schien.
»Und?«, fragte Jan mit hochgezogenen Augenbrauen.
Garbrand druckste herum. »Ich hätte es schon eher erzählen sollen, ich weiß. Denn Magda Dudernixen stand in der Nacht vor diesem Haus. Ich habe sie abgewiesen. Kurz darauf ertönte der Schrei, der den Wortsammler und anschließend mich aus dem Haus getrieben hat. Ich denke, es ist fast sicher, dass er von der Badersfrau kam, vermutlich, weil sie Friso van Heek begegnet ist. Denn wenn er sich tatsächlich von der
Krocht
auf den Weg in die Neustadt gemacht hat, müssten sich ihre Wege gekreuzt haben.«
Jan bestätigte das. »Da hast du recht, werter Freund. Vor allem damit, dass du genau das längst hättest erzählen sollen. Magda wird ihm begegnet sein. Wir wissen nicht, ob er ihr etwas getan hat, was ich allerdings kaum glaube. Magda Dudernixen ist ein hysterisches Weib, das sich durchaus zu wehren weiß. Sie wird sich lediglich erschrocken haben. Doch sie könnte zumindest wissen, ob er das Medaillon noch getragen hat.«
»Warum glaubst du nicht, dass er ihr etwas angetan haben könnte? Der Wirt der
Krocht
sagte, der Kaufmann sei auf der Suche nach einem Weib gewesen.« Hiske machte eine bedeutungsschwere Pause. »Du warst lange nicht da, Jan. Magda Dudernixen hat sich verändert, ist seit dem Tod ihres Kindes nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit sie sich wehren würde und auch könnte.«
Jan zog die Stirn in Falten. »Mag sein. Aber er war auf der Suche nach dir, Hiske.«
Die Hebamme schwieg und dachte sich ihren Teil. Männer waren, was das anging, doch oft recht blauäugig. Sie war in der Nacht ein Gedankenblitz, ein Notnagel für die angeblich nicht vorhandenen Huren gewesen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn sich van Heek eine andere Möglichkeit geboten hätte, hätte er sie genutzt, da war sie sich vollkommen sicher.
»Sie könnte aber auch seine Mörderin sein«, wandte Garbrand ein. »Gesetzt den Fall, er hat ihr wirklich etwas angetan.«
»Aber Friso
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