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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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erkennen. Nicht wissen, dass ihr Peiniger vor ihr stand und ihr Tod so nah war wie noch nie. Gut duftend und gepflegt aufzutreten, dazu in der teuer anmutenden Gewandung, war die beste Tarnung. Das passte nicht zu dem Dreck und der Pein, die sie ewig mit ihm in Verbindung bringen würde.
    Früher, als sein Dasein einzig darin bestand, Menschen ins Jenseits zu befördern oder sie so zu quälen, dass sie das gestanden, was der Kanzler Fräulein Marias, Remmer von Seediek, gern hören wollte, war er eine armselige Kreatur gewesen. Allein die Lust am Töten, dieses unbegreifliche Gefühl der Macht über Leben und Tod, hatte ihn mit Kraft getränkt. Doch nach seinem Unfall und dem Absturz war Klaas deutlich geworden, dass er eine andere Seite hatte. Eine tiefe, eine gefährliche, und dass er durchaus in der Lage war, Menschen zu manipulieren. Es gab Augenblicke, da empfand er sich sogar als überaus weise. Wenn man ganz unten ist, dachte Klaas, findet man Dinge in der Seele, von denen man keine Ahnung gehabt hatte, dass man sie in sich trug.
    Sein Spiel mit gezinkten Karten hatte ihm in Jever einen gewissen Ruhm eingebracht. Da er sich nie hatte erwischen lassen, war es eine Art Herausforderung für viele Jeveraner und Durchreisende gewesen, sich mit ihm zu messen. Reich war Klaas zwar nicht geworden, aber er hatte sein Auskommen und erspielte sich immer wieder Dinge und Vorteile, die ihm nützlich waren. So war es auch Friso van Heek im letzten Jahr ergangen. Großspurig hatte sich der Kaufmann mit dem bestickten Wams vor ihm aufgebaut, die Daumen seitlich im weichen Stoff vergraben. »Du behauptest, du kannst alle schlagen? Mich nicht, Klaas Krommenga. Mich nicht.«
    Klaas aber hatte gegen Friso van Heek gewonnen. Problemlos. An diesem Abend hatte es sich ergeben, dass der Kaufmann auf eine Hebamme aus Jever, eine Zauberin, zu sprechen gekommen war. Wie ihm auf einem der Märkte zugetragen worden war, sollte sie jetzt in der Herrlichkeit Gödens weilen. »Sie muss von unglaublicher Schönheit sein«, hatte der Kaufmann geschwärmt. »Ich werde einmal dorthin reisen und einen Blick in die seltsamen Augen werfen. Darin soll sich ja das Feuer des Teufels spiegeln, und ich wollte schon immer mal vom Irdischen aus einen Blick in die Hölle werfen.« Friso van Heek hatte gelacht. »Mal sehen, ob es da unten nicht doch ganz reizvoll ist. Und ich will wissen, ob von der Toverschen tatsächlich eine solche Gefahr ausgeht, wie es die Legende der Jeveraner über sie verbreitet. Scheint ein interessantes Weib zu sein. Kennt Ihr sie?«
    Krommenga hatte den Kopf geschüttelt, aber gleichzeitig den Schmerz erneut zu spüren geglaubt. Den Schmerz, als sie ihm das Bein abgesägt hatten, und den Gestank, als sie die Gefäße verödeten. »Von dem Weib habe ich lediglich gehört, Kaufmann. Wer hat das nicht? Die Hexe, die zweimal vom Teufel befreit wurde. Etwas, das nicht mit rechten Dingen zugeht, wie Ihr Euch selbst zusammenreimen könnt. Und sie lebt jetzt in der Herrlichkeit Gödens?«
    »So sagt man.«
    Was hatte Klaas Krommenga in dem Augenblick sein Zittern verdrängen müssen! Er war sogar kurz davor, Friso van Heek die Schulden zu erlassen. Der hatte ihn schließlich seinem Ziel nähergebracht. Doch das durfte er dem Kaufmann keinesfalls zeigen. Niemand durfte wissen, was für eine Rechnung er mit dem Teufelsweib noch offen hatte. Friso van Heeks Schuld war also mit dieser Aussage nicht getilgt worden. Er schuldete ihm bis heute eine Menge Gulden. Es wäre besser für ihn gewesen, er wäre dem alten Scharfrichter nicht gleich als Erster in der Neustadt in die Arme gelaufen und schon gar nicht dermaßen betrunken. Jetzt hatte Klaas zumindest einen Teil des Geldes zurück.
    Gerade als Hiske sich auf den Weg zu Magda machen wollte, erhielt sie vom Knecht des Schmiedes die Nachricht, dass dessen Kind die Hitze habe. Da Jan noch da war, wollte er die Hebamme unbedingt begleiten. »Ich muss die Kranken sehen«, erklärte er. »Nur dann kann ich auch Rückschlüsse ziehen. Und dieses Mal wird auch nichts dazwischenkommen.«
    Sie suchten ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg in die Neustadt. Die Sonne war schon auf dem Rückzug und malte mit ihrem Rot einen breiten Streifen an den Horizont, der sich in immer helleren Farbnuancen zu beiden Seiten hin auflöste. Es würde aber noch ein bisschen dauern, bevor sie mit dem aufkommenden Nebel in den Wiesen und im Moor versank.
    Hiske und Jan liefen nebeneinander her, doch die

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