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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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alles beim Alten, selbst wenn Jan irgendwann um Hiske freien würde, woran der Mönch nicht zweifelte. Er spürte, wie sehr Hiske dessen Herz angerührt hatte, und er konnte es dem Arzt nicht verdenken, hielt er doch so große Stücke auf die junge Frau, dass er sich, wenn die Umstände anders wären, vielleicht sogar selbst um ihre Gunst bemüht hätte.
    Garbrand war aber auch nicht verborgen geblieben, wie sehr die Marketenderin ein Auge auf Jan geworfen hatte, und diese Frau war Lieke sehr ähnlich. Aber das war rein äußerlich, Anneke Hollander war aus ganz anderem Holz geschnitzt, hatte nur wenig Ehre im Leib. Das schloss Garbrand nicht nur daraus, dass sie ihren Körper und den ihrer beiden Mädchen verkaufte, sondern auch aus der Art und Weise, wie sie stets versuchte, den größtmöglichen Vorteil aus jeder Lebenslage zu ziehen. Nur bei den Mennisten machte sie eine Ausnahme, verlangte nie den vollen Zins. Aber auch das gereichte ihr zum Vorteil in der Gemeinde, so wagte keiner, ihr auch nur das Geringste nachzusagen. Garbrand rechnete Anneke höchstens zum Guten an, dass sie sich einst um den Wortsammler gekümmert hatte, aber mehr fiel dem Mönch nicht ein, was er an dieser Frau schätzte. Zumal sie den Knaben am Ende genauso schändlich behandelt hatte wie alle anderen. Er glaubte nicht daran, dass Jan Valkensteyn so blind war, was Anneke anging. Nur, letztendlich konnte er auch dafür seine Hand nicht ins Feuer legen. Er selbst war eben kein Mann, den Frauen berührten. Weder in der Seele noch körperlich. Auf die meisten Männer jedoch hatte Anneke eine große Anziehungskraft, auch wenn sie von Jahr zu Jahr an Schönheit einbüßte und für seine Begriffe eher an eine welkende Blume erinnerte. Gerade in der letzten Zeit war sie merklich gealtert. Ihr Blick war unstet geworden, um ihre Augen lagen Schatten, und ihre Haltung wirkte gebeugt. Immer mehr Furchen zierten ihre sommersprossige Haut, zwischen den Brauen hatten sich zwei tiefe Gruben gebildet. Für Garbrand war all das ein Zeichen, dass mit der Duuvke etwas nicht stimmte; wahrscheinlich wurde ein Weib so, das den eigenen Körper verkaufte. Garbrand seufzte. Wenn er Jan Valkensteyn schon mit einem Weib teilen sollte, dann bitte nicht mit einem wie Anneke.
    Der Wortsammler stellte sich neben ihn. »Gedankenflüge. Garbrand Wolkentänzer«, sagte er und griff nach der Hand des Mönchs.
    »Da hast du recht, Wortsammler. Meine Gedanken tanzen bis zu den Wolken. Es gibt viel, über das ich nachdenken muss.«
    »Garbrand Herzklopfentanz wegen Jan«, stellte der Wortsammler fest, ohne weiter darauf einzugehen. Garbrand stutzte nur ein wenig, er hätte nicht gedacht, dass ihm seine Gefühle für den Arzt so sehr ins Gesicht geschrieben waren. Aber vielleicht war das auch gar nicht der Fall. Ihn und den Wortsammler verband nur einfach etwas, das ein gegenseitiges Begreifen auch ohne Worte möglich machte. Vermutlich konnte das kein anderer Mensch erkennen.
    Garbrand betrachtete den Knaben neben sich. Er war im letzten Jahr sehr in die Höhe geschossen und verlor nach und nach seine kindlichen Züge. Der Wortsammler war auf dem besten Weg, ein Mann zu werden, und der Mönch fragte sich immer häufiger, wie es gelingen würde, seine Triebe im Zaum zu halten. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass ihn ein Weib erhören würde, denn er galt als wirr und krank. Er war ungefähr zwölf Lenze alt, jünger, als sie zunächst angenommen hatten, doch würde seine Mannwerdung voranschreiten, und dann mussten sie tätig werden. So manches Mal hatte Garbrand überlegt, den Jungen in religiöse Riten einzuweisen, die es ihm ermöglichen konnten, diese menschlichen Bedürfnisse zu verdrängen, ganz so, wie man es mit den jungen Mönchen versuchte; doch er wagte es nicht. Er befand sich in einer Gegend, in der der reformierte Glauben vorherrschend war, in einer Gegend, in die sich Täufer aus Münster und Mennoniten zurückgezogen hatten. Es war gefährlich, hier Dinge aus dem Katholizismus zu predigen, auch wenn es hinter verschlossenen Türen geschah. Wer wusste schon, was der Wortsammler doch nach außen tragen würde.
    Garbrand überkam ein Gefühl der Unzulänglichkeit, wie immer, wenn ihm bewusst wurde, wie hoch der Preis für seine Sicherheit und seine Nähe zu Jan war. Er musste sich verbiegen, schlimmer als es Hinrich Krechting je getan hatte. Weil er kein katholischer Mönch sein durfte, weil er die Mutter Marias nicht anbeten durfte. Hier, wo sich alle damit

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