Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
unheimlich. Dieser Kristall im Meer. Das ganze Schmuckstück ist eine Mischung aus Liebe und Tod.«
Dudernixen begann zu lachen. Es klang kehlig, und Magda hörte am Klang, dass ihr Mann bereits zu viel getrunken hatte. Das kam in der letzten Zeit häufiger vor. »Du redest so viel dummes Zeug, Weib, dass zwei Mistkarren nicht dafür ausreichen würden. Besser, du hältst zukünftig einfach deine Klappe.« Er stieß Magda von sich, sodass sie mit der Hüfte gegen die Kante des Herdes stieß. Sie unterdrückte den Schmerzenslaut, diese Genugtuung wollte sie Melchior nicht geben.
Manchmal wusste Magda selbst nicht, warum sie sich immer wieder schützend vor ihren Mann stellte. Sie hasste ihn bis aufs Blut, und doch konnte sie nie umhin, ihn für seine Boshaftigkeit, seine Gemeinheiten tief im Inneren zu lieben und zu bewundern. Dennoch lag sie oft in ihrem Bett wach und haderte mit ihrem Schicksal. Sie hätte einen besseren Mann verdient, warum nur hatte sie seinem Werben so schnell nachgegeben? Nach allem, was sie von ihm gewusst, nach all dem Schmerz, den er nicht nur ihr zugefügt hatte. Melchior war kein guter Mann. Das Einzige, was er beherrschte, waren seine Bäder, und er kannte sich mit den Seifen aus wie kein Zweiter. Im Haus selbst war er faul, überließ alles seinem Weib. Lief es nicht nach seinen Vorstellungen, rutschte ihm auch schon mal die Hand aus. Dazu demütigte er Magda mit Worten, die sie hinterher schnell verdrängte, weil sie so verletzend waren. Sie neigte dazu, sich von Männern in den Schmutz treten zu lassen, auch Cornelius hatte nichts anderes getan. Dennoch würde sie Melchior schützen, wann immer es nötig war.
»Du hast Friso van Heek in der Todesnacht angetroffen«, sagte Magda ihrem Mann auf den Kopf zu.
»Du doch auch, was soll die Frage?« Melchior nahm die Graupen vom Feuer, es roch merklich angebrannt. »Kümmere du dich lieber darum, dass ich etwas Schmackhaftes auf den Teller bekomme. Wenn du dir ständig den Kopf über Dinge zerbrichst, die dein Weiberhirn überfordern, habe ich nichts Anständiges zu essen.«
»Du hast das Medaillon genommen. Von dem Toten! Was hast du dem Kaufmann angetan, Melchior?«
Dudernixen lachte. »Das, was ihm zugestanden hat. Genau das habe ich mit ihm gemacht.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Was hätte ich denn tun sollen, wenn er seine dreckigen Pfoten nicht von meinem Weib lässt?«
Hiske wischte dem kranken Jungen den Schweiß von der Stirn. Auch nach der langen Nacht war keine Besserung in Sicht, vielleicht würde das Kind sterben. Immer wieder sterben, dachte Hiske. Sie hatte Mühe, sich auf den Kleinen zu konzentrieren, darauf, ihre Sache wirklich gut zu machen. Zu sehr hatten sie Jans Worte getroffen. Seine große Liebe ähnelte also Anneke. Wie dumm war sie gewesen, auch nur zu hoffen, der Arzt könnte mehr als Freundschaft für eine Frau wie sie empfinden. Sie war eine Hebamme, der sich bislang nur zwei Deicharbeiter in dieser Absicht genähert hatten, denn für ein Eheweib haftete ihr zu viel an. Der Makel der Toverschen, der Makel der Heilkundigen, die Dinge tat, die unheimlich waren. Auch wenn Jan es abstritt, so dachte er doch genauso wie die anderen Menschen. Er konnte es nicht verleugnen. Was war sie dumm gewesen. Anneke war vielleicht eine Duuvke, aber sie war immer noch eine von ihnen. Eine mit demselben Glauben. Eine, zu denen Jan sich dazugehörig fühlte. Sonst hätte er es vor drei Jahren niemals unter dem Einsatz seines Lebens gewagt, eine Botschaft des Vermahners Rothmann in die Herrlichkeit Gödens zu schmuggeln. Anneke war Holländerin, war von seinem Schlag. Sie, Hiske, hingegen …
Der Kleine stöhnte auf. Hiske verabreichte ihm eine Tinktur, die sie eigens mit Garbrand entwickelt und die auch schon gute Dienste geleistet hatte. Zumindest wirkten die Kranken danach erheblich kräftiger. Bei einem so kleinen Kind hatte sie es allerdings noch nie versucht. Nur war es immer noch besser, als nichts zu tun. Das Leben des Kindes hing an einem seidenen Faden, würde bald erlöschen, wenn kein Wunder geschah.
Die Mutter war unfähig, etwas zu tun, saß wehklagend in der Ecke, der Schmied räumte die Werkstatt auf und tat, als ginge ihn alles nichts an. Männer waren so. Noch nie hatte Hiske erlebt, dass auch nur einer von ihnen einen Hauch von Gefühl gezeigt hatte, wenn es um das Leben der Kinder gegangen war. Sie verkrochen sich meist hinter ihrem Handwerk und lenkten sich dadurch ab, damit keiner bemerkte,
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