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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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Geschichten zu füllen.«
    Krechting lagen noch Fragen auf der Zunge, was das Armenwesen anging, denn bislang hatte der Stadtarzt nur über die Medizin doziert, doch er wollte die Stimmung, die wegen des ausgezeichneten Weines recht ausgelassen war, nicht stören. Darüber und über das Stadthaus konnte er ein anderes Mal reden.
    Hiske starrte zur Decke. Das Unwetter verzog sich, zumindest würde die unerträgliche Hitze nachlassen, aber vielleicht auch nur von schwüler Luft abgelöst werden. Sie hatte Garbrand und Jan noch eine Weile in der Küche reden gehört, aber nicht verstanden, über was sie sich unterhalten hatten. Sie hätte all diese Dinge nicht sagen sollen. Noch nie hatte sie so offen gesprochen, sie hatte sich Jan geradezu angebiedert. Nie wieder konnte sie ihm in die Augen sehen, zumal er ihre Gefühle offenbar nicht erwiderte.
    Wenn der Wortsammler nicht zurückkam, gab es für sie keinen Grund zu bleiben. Hier, wo die Menschen auf solch arme Wesen wie ihn eintraten, hier, wo sie Göttlichkeit predigten und doch immer nur schauten, wie sie ihren eigenen Ruf bestens erhalten konnten, egal, ob dafür Unschuldige litten oder nicht. Hier, wo immer wieder Jan Valkensteyn aufkreuzen würde. Ob mit oder ohne Anneke Hollander. Das Marschenfieber mussten die Menschen ohne sie bekämpfen. Sie würde abreisen, sobald der Junge wieder da war. Nur das hielt sie noch. Allerdings konnte sie nicht in Emden leben, dort lief sie stets Gefahr, Jan über den Weg zu laufen. Hiske hatte kürzlich in einem Gespräch aufgeschnappt, dass es am einfachsten war, von Emden über die Niederlande ins mittlere Deutschland zu gelangen. Von dort konnte sie überall hinreisen. Weit genug weg von der See, von Jan und allen Menschen der Herrlichkeit. Allerdings lief sie in anderen Landesteilen durchaus Gefahr, als Hexe angesehen zu werden, und keinesfalls durfte sie je verlauten lassen, dass sie unter den vogelfreyen, allseits geächteten Täufern und Mennoniten gelebt hatte. Aber wie gering war das gegen ihr gebrochenes Herz. Am liebsten wäre sie schon jetzt gegangen. Sollte der Wortsammler zurückkommen, wäre immer noch Garbrand da. Er war ohnehin sein engster Vertrauter. Sie könnte Garbrand die Kate überlassen, sicher hätte Krechting damit kein Problem, zumal die restlichen Menschen aus der Wagenburg ohnehin lieber in der Neustadt siedeln wollten. Aber ihre Liebe zu dem Kind hielt sie zurück. Niemals konnte sie den Wortsammler hier bei den Menschen lassen, denen sein Schicksal so egal war wie das der Fliege an der Wand. Bis er zurück war, hatte sie Zeit genug, alles vorzubereiten und sich zu erkundigen, welches Schiff bis dahin ankern würde und sie mitnehmen konnte. Sie war dazu verdammt, ein unstetes Leben zu führen, nie sesshaft zu werden. Kein Mann auf dieser Welt würde es wagen, sie zu ehelichen, diese Hoffnung war mit den Worten Jans gestorben.
    Hiske stand auf, kämmte das Haar, ordnete ihren Rock und den Überwurf. Sie goss etwas Wasser in die Waschkumme und wusch sich das erhitzte und vom Weinen verschwollene Gesicht. Danach ging es ihr besser, sie fühlte sich gestärkt. Sie starrte hinaus in die Dunkelheit und lauschte dem Prasseln des leichten Regens, der sich noch immer über das Land ergoss. Garbrand war sicher noch da. Er hatte die ganze Zeit in der Ecke der Küche gesessen und war deshalb Zeuge der Worte zwischen ihr und Jan geworden. Wie hatte sie das bloß vergessen können? Es machte ihr aber deutlich, wie tief sie für den Arzt fühlte. Irgendwann musste sie es schaffen, ihn aus ihrem Herzen zu verdrängen. So wie er es mit ihr getan hatte, als er nach Emden geflohen war.
    Hiske ging in die Küche, wo Garbrand tatsächlich noch auf der Bank saß und ins Dunkel starrte. Er hatte nicht einmal eine Kerze angezündet.
    »Du hast alles mit angehört, das tut mir leid!«
    Garbrand stand auf, fasste Hiske bei den Händen und zog sie dann auf die Bank. »Ich bin Mönch, ich habe das Beichtgeheimnis, und ich weiß sehr wohl, wann ich etwas für mich behalten muss. Niemand wird davon erfahren.«
    Hiske war erleichtert, wusste sie doch um die Ehrlichkeit des Mannes. Nach Jan fragte sie nicht.
    Garbrand schwieg eine Weile, dann aber sagte er: »Jan ist ins Moor gegangen und sucht nach dem Wortsammler.«
    Hiske hob die Brauen. Das war mehr, als sie erwartet hatte. Und doch würde es sie nicht mehr von ihrem Entschluss zu gehen abhalten. Nur hielt sie es noch für verfrüht, Garbrand davon in Kenntnis zu

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