HISTORICAL Band 0272
Briefe gefreut.“
„Du hast mir gefehlt.“ Freddie biss sich auf die Unterlippe, bemühte sich, erwachsen zu wirken und seine Mutter nicht erneut zu umarmen, um sie nie wieder loszulassen. „Musst du bald wieder fort, oder bleibst du eine Weile bei mir?“
„Wir reisen gemeinsam nach Maubourg, sobald die Unruhen in Frankreich sich gelegt haben und uns keine Gefahr mehr droht.“ Sie zögerte einen Moment. „Du weißt, dass Onkel Philippe seit einiger Zeit krank ist?“ Freddie nickte. „Hoffentlich geht es ihm mittlerweile wieder besser. Aber ich fürchte, dein Onkel Antoine könnte in den Wirren um Bonapartes Rückkehr verletzt worden sein.“
Es sprudelte einfach so aus ihr heraus, als sie auf den Marmorfliesen kniete und Freddie in den Armen festhielt, als wolle sie ihn nicht wieder loslassen. Vielleicht erzählte sie so viel, um nicht feststellen zu müssen, dass es nur ein schöner Traum war.
Irgendwann zwang Eva sich, wieder aufzustehen. Dabei schwankte sie ein wenig. Zwei Hände griffen nach ihr – eine große Männerhand und eine kleine Kinderhand gaben ihr Halt. „Danke, Freddie, und auch Ihnen, Ja… Mr. Ryder.“ Einen Moment lang standen die drei Hand in Hand in der Halle. Wie eine kleine Familie, schoss es ihr durch den Kopf, bevor sie Jacks Hand losließ, als würde sie sich daran verbrennen. Danach entzog ihr Freddie die Hand, um sie Jack entgegenzustrecken.
„Mr. Ryder, herzlich willkommen. Vielen Dank, dass Sie meine Mutter beschützt haben.“
Jack erwiderte Freddies Geste mit ernster Miene. „Königliche Hoheit. Es war mir ein Vergnügen. Und ich freue mich, Sie wohlauf zu sehen. Als wir uns das letzte Mal trafen, waren Sie ein wenig grün um die Nase.“
„Pilze, Mama“, erklärte Freddie ihr.
„Ich weiß“, sagte Eva. „Mr. Ryder hat mir alles berichtet, jede grässliche Einzelheit.“
Ihr Sohn lachte. „Ich war wirklich ziemlich krank.“ Danach lenkte er das Gespräch auf ein anderes Thema. „Weißt du, dass dieses Haus Mr. Ryder gehört?“
„Ja. Es ist sehr freundlich von ihm, uns hier wohnen zu lassen.“ Sie ließ den Blick durch die Halle schweifen. Der Butler mit der eingeschlagenen Boxernase stand wie aus Stein gehauen in einer Ecke. Am Fuß der Treppe warteten zwei ebenso grobschlächtige und hünenhafte Diener, dahinter hatte sich eine Schar weiblicher Bediensteter versammelt. „Bist du schon längere Zeit hier im Haus?“
„Lange genug, um alle zu kennen. Ich bin gestern Vormittag angekommen“, sagte Freddie eifrig. „Das ist Grimstone, unser Butler.“ Der Name passt zu ihm, dachte Eva belustigt. „Und das sind Willings und O’Toole, die Diener. Mrs. Cutler ist eine fabelhafte Köchin, und Fettersham ist deine Zofe.“
Eine sehr schlanke Frau in Schwarz trat vor und versank in einen tiefen Knicks. „Darf ich Ihnen Ihre Gemächer zeigen, Königliche Hoheit?“
„Ma’am reicht vollständig“, entgegnete Eva beiläufig. „Ja, gern. Freddie, ich lege nur Mantel und Hut ab, mache mich ein wenig frisch und komme gleich wieder herunter. Dann trinken wir gemeinsam Tee.“ Und reden und reden und reden. „Und du unterhältst dich unterdessen mit Mr. Ryder, nicht wahr?“
Auf der Treppe stolperte sie beinahe über ihre Röcke, da sie sich immer wieder umdrehte, um sich zu vergewissern, dass ihr Sohn noch da war. Kurz bevor der Treppenabsatz ihn ihren Blicken entzog, sah sie, wie Freddie seine kleine Hand in Jacks Hand schob und ihn in die Richtung zog, in der sie den Salon vermutete. Sie gaben ein harmonisches Bild ab, der hochgewachsene breitschultrige Mann und der kleine Junge.
„Ist Ihnen nicht gut, Ma’am?“ Ihre neue Zofe betrachtete sie mit besorgter Miene. „Sie scheinen gerade bleich geworden zu sein.“
„Nein danke, alles in Ordnung, Fettersham. Es war nur eine anstrengende Reise.“
Es dauerte schließlich doch etwas länger als beabsichtigt, bis Eva sich wieder nach unten begab. Ihr Kleid war staubig und fleckig von der salzigen Gischt, der sie auf der Überfahrt ausgesetzt war, ihr Haar zerzaust. Nach einigem Suchen fand Fettersham frische Wäsche in ihrem nicht sehr umfangreichen Gepäck, und wegen eines Missverständnisses in der Küche wurde kaltes Wasser statt heißes heraufgebracht.
Eine halbe Stunde später eilte die völlig aufgelöste Zofe in die Küche, um sich über die Schlamperei zu beschweren und die Mägde tüchtig zurechtzuweisen. Eva begab sich währenddessen in den Salon, wo sie Freddie allein vorfand, der die
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