HISTORICAL Band 0272
zu hindern, ihn zu berühren. „Du verstehst mich nicht. Ich bitte dich, mich zu heiraten.“
Er war so still, dass sie beinahe glaubte, er habe sie nicht gehört. Dann kam er auf die Füße, mit einer Geschmeidigkeit, als gelte es, sich einem Kampf zu stellen. Auf der anderen Seite des Zimmers, so weit entfernt von ihr, wie er nur kommen konnte, sagte er: „Bist du wahnsinnig geworden?“
„Nein! Es ist mein voller Ernst.“ Seine Reaktion erschreckte sie. Sie hatte Verblüffung, Zweifel, Gegenargumente erwartet. Keineswegs diese offene Feindseligkeit.
„Hast du vergessen, wer du bist, was du repräsentierst?“
„Ich bin eine verwitwete Großherzogin. Aber ich bin nicht von königlichem Geblüt. Mein Vater war ein französischer Comte, meine Mutter die Tochter eines englischen Earls. Du bist der Sohn eines Dukes. Es gibt keinen Standesunterschied zwischen uns.“ Sie hatte sich ihre Argumente sehr sorgfältig zurechtgelegt. Wenn Louis sie heiraten durfte, dann durfte sie auch Jack heiraten.
„Interessant, dass du meinen Stammbaum erforscht hast“, entgegnete Jack kalt. „Was hättest du getan, wenn du entdeckt hättest, dass ich ein ganz gewöhnlicher Mr. Ryder bin, ein Abenteurer und Spion?“
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Eva tonlos. „Ich war auf den einfachen Mr. Ryder angewiesen, lernte ihn schätzen und begehrte ihn. Aber ich konnte nicht ahnen, wie sehr ich unter der Trennung von dir leiden würde. Ich weiß wirklich nicht, was ich getan hätte, wenn du nicht wärst, der du bist, nämlich Lord Sebastian.“
„Hast du dir schon einen entsprechenden Titel für mich in Maubourg ausgedacht? Damit hätte man Mr. Ryder natürlich aussortiert. Vielleicht willst du mir ja auch einen dekorativen Orden verleihen, ausschließlich für mich, möglich wäre natürlich auch ein hoher Offiziersrang in deiner Armee? Ja, das wäre es doch. Eine schöne Schärpe über meiner neuen hellblauen Uniform mit Silbertressen – du könntest aber auch den Prince of Wales darum bitten, eine Fantasieuniform für mich zu entwerfen. Der Mann ist berühmt für seine außergewöhnlichen Modevorschläge.“
„Hör auf damit! Du brauchst keinen neuen Titel, du hast bereits einen, und der ist standesgemäß! Wenn du an einem Posten in der Armee interessiert bist, so finden wir ohne Schwierigkeiten einen hohen Rang für dich. Was ist los mit dir? Willst du mich nicht heiraten? Gibt es eine andere Frau?“ Über dieses Thema hatte er nie mit ihr gesprochen, schoss es ihr unvermutet durch den Kopf, und kalter Schweiß brach ihr aus. Sie liebte ihn und hatte gehofft, wenn sie ihm einen Heiratsantrag machte, würde auch er ihr seine Liebe gestehen, hatte gehofft, er habe nur nicht gewagt, ihr dieses Geständnis früher zu machen. Offensichtlich hatte sie einen grauenvollen Irrtum begangen.
„Nein. Es gibt keine andere Frau.“ Jack durchquerte mit drei langen Schritten den winzigen Raum, machte gereizt kehrt und näherte sich ihr wieder. „Ist Ihnen nicht in den Sinn gekommen, Ma’am, dass ich es vorziehen würde, einen Antrag zu machen? Dass dieses Land meine Heimat ist? Vermählungen in Kreisen des Hochadels werden aus dynastischen Gründen geschlossen, um Erben in die Welt zu setzen – den es in Ihrem Fall bereits gibt – oder um internationale Allianzen einzugehen, womit ich nicht dienen kann. Oder um Reichtum zu mehren – wobei meine finanziellen Mittel sich höchst bescheiden ausnehmen im Vergleich zu den Ihren. Solche Ehen werden keinesfalls geschlossen, damit eine hochgestellte Dame Gelegenheit erhält, die Aufmerksamkeiten ihres Liebhabers zu genießen, ohne einen Gesellschaftsskandal heraufzubeschwören.“
„Aber darum geht es nicht, das sagte ich dir doch. Ich brauche dich!“ Eva kam wankend auf die Beine, in ihrem Kopf drehte sich alles. Das Gespräch hatte nicht diesen Verlauf nehmen sollen. Sie hatte ihm ihre Gefühle preisgegeben, hatte den Mut aufgebracht, ihm einen aufrichtigen Antrag zu machen, hatte ihm eine für beide akzeptable Lösung vorgeschlagen, und er warf ihr alles vor die Füße. In ihr Entsetzen und Unglück mischte sich aufkeimender Zorn.
„Sehr schmeichelhaft, Ma’am. Aber wie Sie wissen, habe ich Verpflichtungen. Mich in ein Nest in den Alpen verschlagen zu lassen, um die erotischen Bedürfnisse einer Dame zu erfüllen – so verlockend und bezaubernd sie auch sein mag –, passt nicht in meine Lebensplanung.“
Er machte nicht einmal den Versuch, ihrem Schlag
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