HISTORICAL Band 0272
Antwort wäre die gleiche, ganz gleich, ob er mich liebte oder nicht – oder so ähnlich.“ Sie schüttelte erneut den Kopf, zu verwirrt und verstört über das, was geschehen war, als dass sie ihrem Erinnerungsvermögen trauen konnte. Der junge Mann – hieß er nicht Theo? – kam mit einem Lakai im Schlepptau zurück. Bel nahm ein Glas Brandy vom Tablett und drückte es Eva in die Hand, anschließend griff sie nach den zwei Champagnerflöten. „Danke, Theo.“
Sie wartete, bis ihr Cousin sich auf den Rückzug gemacht hatte, dann sagte sie:. „Trinken Sie!“ Eva leerte das Glas in einem Zug. Sie brauchte irgendetwas, um den quälenden Schmerz zu lindern. Bel nahm einen tiefen Schluck Champagner, danach tauschte sie das leere Glas in Evas Hand gegen das Champagnergetränk aus. „Ich werde betrunken sein, wenn ich das auch noch ausleere“, protestierte Eva.
„Gut. An Ihrer Stelle sollten Sie sich betrinken, nach Hause fahren und nicht auf die Demaskierung warten; dadurch machen Sie sich nur noch unglücklicher.“ Bel nippte an ihrem Glas und schwieg eine Weile. Schließlich sagte sie: „Bis morgen wird er seine Meinung geändert haben.“
„Das bezweifle ich. Ich habe ihn geschlagen.“
„Ausgezeichnet.“
Die beiden Frauen saßen noch einige Zeit nebeneinander. Die Mischung von Brandy und Champagner war Eva rasch zu Kopf gestiegen. Sie entsann sich an das letzte Mal, als sie beschwipst gewesen war – was in ihrem wohlgeordneten Leben höchst selten vorkam. Damals hatte sie sich mit Jack in dem Gasthaus in Südfrankreich befunden. Sie hatte sich sehr indiskret verhalten – und vorhin war es nicht anders gewesen. Sie fühlte sich beschämt und gedemütigt und wollte nur noch fort. Sie wollte nicht hier in diesem fremden Land gefangen sein, unendlich viele Meilen von der Heimat entfernt.
„Lord Gowering ist anscheinend auch anwesend“, stellte Bel plötzlich fest. „Sehen Sie ihn? Der Herr in der roten Maske, mit den hängenden Schultern. Er leitet die Spionageabteilung im Außenministerium, wobei man ihm äußerlich nicht gerade ansieht, dass er ein Meisterspion ist. Ich hätte große Lust, ihn anzusprechen und zu ersuchen, meinen Bruder aus seinen Diensten zu entlassen. Allein deshalb, weil er sich Ihnen gegenüber so unmöglich benommen hat.“
Der hagere, leicht vorgebeugte Herr näherte sich den beiden Frauen. „Stellen Sie mich ihm bitte vor“, sagte Eva, die plötzlich einen Entschluss gefasst hatte.
Bel warf ihr einen verdutzten Blick zu, erhob sich aber und sprach den Leiter der Spionageabteilung an. Lord Gowering beugte sich über Evas Hand. „Welche Freude, Sie hier zu sehen, Königliche Hoheit. Wie ich hörte, haben wir Ihrem mutigen Einsatz einige sehr interessante Waffenpläne zu verdanken. Ich hoffe, Sie haben sich von Ihrer anstrengenden Reise erholt.“
„Gewiss, Mylord. Doch nun habe ich den Wunsch, umgehend die Rückreise gemeinsam mit meinem Sohn anzutreten. Ich vermute, die Diener in dem Haus, das Sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben, sind Leute aus Ihrem Ministerium. Dürfte ich Sie bitten, mir diese Männer für die Dauer meiner Reise zur Verfügung zu stellen?“
„Aber gern, Ma’am.“ Eva bat ihn, sich neben sie zu setzen, und Seine Lordschaft nahm Platz. „Wir werden Ihnen auch die nötigen Papiere ausstellen, allerdings hatten wir nicht erwartet, dass Sie England so schnell wieder verlassen wollen.“
„Ich mache mir Sorgen um meinen Schwager, den Regenten“, erklärte Eva und staunte über sich selbst, wie sie ohne zu stocken erklärte, dass ihr Sohn sich danach sehnte, wieder zu Hause zu sein. Es kam ihr beinahe so vor, als spreche ein Bauchredner hinter ihr – und sie bewege nur die Lippen. Vermutlich lag es an der Wirkung der Getränke. Und an ihrer langjährigen Erfahrung, Fassung zu bewahren. Dabei schnürte ihr ein namenloser Schmerz die Brust zu.
„Wie Sie wünschen, Ma’am. Ich lasse Ihnen die nötigen Papiere gleich morgen zukommen und wünsche Ihnen eine angenehme und sichere Heimreise. Wir hoffen, Sie bald wieder in London begrüßen zu dürfen, wenn die Reisebedingungen etwas weniger aufregend sind.“
Mit einer Verneigung zog er sich zurück, und Bel starrte Eva entgeistert an. „Was soll ich Sebastian sagen?“
„Nichts“, entgegnete Eva kategorisch. „Gar nichts, wenn Sie es schaffen. Bel, ich danke Ihnen für Ihren Rückhalt und Ihre Freundschaft. Ich hätte mir sehr gewünscht, Sie zur Schwägerin zu
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