HISTORICAL Band 0272

Ohren. Es hatte aufgehört zu regnen, Vögel zwitscherten, er vernahm, wie das Pferd sich jetzt anscheinend genussvoller über das Stroh hermachte. An seiner Brust spürte er die leichten Atemzüge der Frau. Eva war in seinen Armen eingeschlafen. Ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. Nichts Alarmierendes hatte ihn geweckt. Er holte tief Atem – und roch Gardenien. Aber auch den Geruch von Pferden, feuchtem Stroh und frischem Heu. Und dann war da noch das verführerische Aroma von gebratenem Speck.
    Speck? Ein entfernter Hauch nach gebratenem Speck durchzog die kühle feuchte Luft. Jack rüttelte Eva sanft. „Wach auf, mein Schatz.“
    „Was ist los?“ Sie setzte sich auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Augen waren noch benommen vom Schlaf, und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Meine Liebe.
    „Irgendwo in der Nähe wird Speck gebraten.“
    „Wunderbar. Frühstück.“ Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen, und dann war sie plötzlich hellwach, bereit für ein herzhaftes Mahl.
    „Bleib hier.“ Er kam auf die Füße, tastete nach dem Dolch in seinem Stiefelschaft, griff nach der Pistole, die er in der Nacht neben sich gelegt hatte, und trat in den kühlen Morgen. Die Erde war von den schweren Regenfällen der letzten Nacht völlig aufgeweicht. Jack suchte die Umgebung ab. Nichts war zu sehen, dünne Nebelschleier stiegen auf, erste Sonnenstrahlen drangen durch die aufreißende Wolkendecke.
    An die schiefe Holzwand des verfallenen Schuppens gedrückt, spähte er um die Ecke. Hinter einem Gestrüpp an der Nordseite befand sich ein sanft ansteigender Hügel, was dahinter lag, war nicht sichtbar, nur Rauch, der in vielen dünnen Säulen hochstieg. Lagerfeuer. Der Wind hatte sich gedreht und trug den Bratengeruch verstärkt heran. Ganz entfernt hörte er Stimmen, hörte, wie Befehle ausgeteilt wurden. Soldaten.
    „Was ist? Sind es Franzosen?“ Eva war an seiner Seite.
    „Ich weiß es nicht, da ich nichts sehen kann. Sagte ich dir nicht, dass du in der Scheune auf mich warten solltest?“
    „Ich musste aber hinter einen Busch, also bin ich ins Freie gegangen“, erklärte sie würdevoll. „Wollen wir nachsehen, wer diese Soldaten sind?“
    Ihr zu verbieten, ihn zu begleiten, wäre sinnlos gewesen. Dieser Frau war kein Gehorsam beizubringen. „Besser ist, du bleibst hier und gibst mir Rückendeckung.“ Jack legte ihr die Pistole in die Hand. „Schieß nur, wenn es absolut nötig ist, sonst haben wir zwei Armeen auf den Fersen.“
    „Wenn ich dich begleite, kann ich dir den Rücken besser freihalten“, widersprach sie störrisch.
    „Aber hier bist du geschützter. Tust du bitte, was ich dir sage?“ Seine Stimme drohte lauter zu werden, und er zwang sich, leise zu sprechen.
    „Ich weiß, dass du der Meinung bist, mich in Watte zu packen, gehöre zu deinen Pflichten, Jack, aber siehst du nicht ein …“
    Ihm riss der Geduldsfaden. Er zog sie grob an sich, ohne darauf zu achten, dass er ihre Hand mit der Pistole gegen seine Brust presste. „Ich hätte dich beinahe in diesem reißenden Fluss verloren“, herrschte er sie an, während sie vor Schreck erbleichte. „Gestern habe ich dich beinahe ein zweites Mal verloren. Kannst du nicht einsehen, du starrsinnige, störrische Frau, dass ich …“ Irgendwie kehrte seine Vernunft wieder, ohne dass er hätte sagen können, woran das lag. „Kannst du nicht einsehen“, fuhr er gemäßigter fort, „dass du mir mehr bedeutest als nur eine Pflichterfüllung? Wenn du umkommst oder in Gefangenschaft gerätst, würde ich mir mein ganzes Leben lang Vorwürfe machen. Begreifst du das nicht?“
    Ihre vollen Lippen teilten sich, ein kleiner Schrei entfuhr ihr, die Farbe kehrte wieder in ihr Gesicht zurück. Jack packte sie an den Oberarmen, hob sie hoch, presste sie an sich und küsste sie stürmisch. Er drängte seine Zunge in ihren warmen süßen Mund: verzweifelt, fordernd, besitzergreifend. Dann stellte er sie wieder auf die Füße. „Und nun bleibst du hier, verdammt noch mal!“
    „Ja, Jack.“ Ihr Flüstern drang noch an sein Ohr, als er sich durch das Gebüsch zwängte und in gebückter Haltung den Hang erklomm. Training und militärische Disziplin zwangen ihn, sich auf sein Vorhaben zu konzentrieren und nicht auf die Frau hinter ihm, nicht darauf, was er ihr beinahe gestanden hätte. Ohne auf den Morast zu achten, legte er sich flach auf die Erde und kroch auf allen vieren bis zur Hügelkuppe, von der er sehen konnte, was