HISTORICAL Band 0272
einer geladenen Waffe, sein Pferd bäumte sich, erschrocken über den plötzlichen Schuss. Drei stämmige Soldaten stürzten sich auf Jack.
Geistesgegenwärtig schwang Eva sich wieder aufs Pferd, griff blind in die Satteltasche, in der Hoffnung, Jack habe eine Waffe darin versteckt. Aber alles, was ihre Finger ertasteten, war der Hals der Champagnerflasche. Sie zog sie heraus, hielt sie an die Brust gepresst, bohrte dem Pferd die Absätze in die Flanken und sprengte los. Sie wich den drei Soldaten aus, die von Jack mit seinem Dolch in Schach gehalten wurden, und galoppierte direkt auf Antoine los, der nun eine zweite Pistole auf Jack richtete. Eva spornte ihr Pferd zu noch größerer Eile an und schwang die Flasche über ihrem Kopf. Als ihr Wallach das Pferd des Prinzen überrannte, zersplitterte die Flasche auf Antoines Kopf, und er sank leblos unter die Hufe ihres Gauls.
„Jack!“ Sie drehte sich im Sattel um, als der riesige Rappe herangaloppierte, mitten durch den Soldatentrupp.
„Reite so schnell du kannst!“ Jack schlug mit der flachen Hand ihrem Wallach klatschend auf das Hinterteil, und beide Pferde jagten im gestreckten Galopp den Weg entlang, in Richtung eines Waldes. „Beuge dich weit vor!“ Eva legte sich flach an den Pferdehals, auf den Beschuss von Musketen gefasst, aber nichts geschah. Jack behielt das halsbrecherische Tempo bei und ritt im Zickzack durch den Wald. Auch als sie diesen hinter sich gelassen hatten, ritt er im schnellen Trab weiter, drehte sich mehrmals im Sattel um und hielt nach Verfolgern Ausschau.
„Jack“, rief Eva ihm zu. „Ich muss umkehren – das sind meine Truppen, meine Soldaten, ich kann sie nicht im Stich lassen.“
„Du kannst das wohl und du wirst es auch tun müssen.“ Er wandte sich ihr zu. Sein Gesicht wirkte versteinert. „Falls Philippe nicht mehr lebt, willst du doch Maubourg für Fréderic regieren, oder etwa nicht? Ich werde nicht riskieren, dass Antoine seine Truppen wieder sammelt, und ich werde dein Leben nicht aufs Spiel setzen für eine Handvoll Männer, die eine falsche Entscheidung getroffen haben.“
Sie widersprach ihm heftig, obgleich sie wusste, dass er recht hatte. Allein die Tatsache, dass Antoine die Dreistigkeit besaß, mit Maubourgs Soldaten nach Norden zu marschieren und den Kaiser zu unterstützen, schürte ihre Angst, dass Philippe nicht mehr lebte und keinen Einfluss mehr ausüben konnte, den er auch noch als kranker Mann besessen hatte. In diesem Fall hätte sein Bruder freie Hand, das Herzogtum ins Unglück zu stürzen. Wenn ihr etwas zustieß, wer würde dann für Freddie da sein? Ihr Sohn würde dann in einem fremden Land auf das Wohlwollen ihm unbekannter Menschen angewiesen sein.
„Bist du verletzt?“ Jack verlangsamte das Tempo.
„Nein. Nur erschrocken.“
„Wir reiten besser langsam weiter. Wir haben nur noch zwei Pferde und können dieses Tempo nicht beibehalten.“
In diesem Moment geriet ihr Pferd mit einem Vorderlauf in einen Kaninchenbau. Bevor Eva wusste, was passiert war, lag sie im Gras. Nach Atem ringend, richtete sie sich mühsam auf. Jack kniete neben ihr. „Ich fürchte, ich muss dir diese Frage ein zweites Mal stellen.“ Er lächelte aufmunternd. „Bist du verletzt?“
„Nein.“ Sie schüttelte benommen den Kopf und ließ sich von ihm aufhelfen. Der Wallach stand mit hängendem Kopf da, sein linker Vorderlauf war angehoben und unnatürlich verdreht.
„Hölle und Verdammnis.“ Mit energischen Schritten ging Jack zu seinem Rappen, zog eine Pistole mit langem Lauf aus dem Sattelhalfter und lud nach. „Erspare dir den Anblick.“
„Das ist offenbar nicht unser Tag“, sagte Eva seufzend, schlang die Arme um Jacks Taille und versuchte einigermaßen bequem hinter ihm zu sitzen, als der kraftvolle Hengst beharrlich unter dem zusätzlichen Gewicht nach Norden trottete. Der holprige Pfad machte es ihr umso schwieriger, das Gleichgewicht zu halten.
„Das kann man so sagen“, pflichtete er ihr bei. „Ich könnte versuchen, ein anderes Pferd aufzutreiben, fürchte aber, es wird mir nicht gelingen. Das wird ein langer Tag für uns werden.“
Sie ritten eine Strecke, gingen eine Weile zu Fuß, saßen wieder auf und hatten etwa drei Meilen zurückgelegt, bevor Jack sicher war, dass sie die im Westen gelegene Stadt Nivelles hinter sich gelassen hatten. „Bis nach Mont-Saint-Jean sind es noch etwa sieben Meilen, und danach sind wir nahe genug an Brüssel, um die Hauptstraße nehmen zu
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