HISTORICAL Band 0272
Wanne lag, gerade aus einem Fiebertraum erwacht zu sein.
„Ich finde leider nur ein passendes Tageskleid, Ma’am“, bemerkte Mrs. Greaves auf der anderen Seite des Wandschirms. „Ein Großteil Ihres Gepäcks scheint unterwegs abhanden gekommen zu sein.“
Dieses Kleid hatte Eva mit Jack in Grenoble gekauft. Nichts, weswegen sie sich schämen müsste, rechtfertigte Eva sich im Stillen, mochte es auch noch so schlicht sein. Sie sah ihn vor sich, was für ein Gesicht er im Hutgeschäft gemacht hatte, als er verzweifelt versuchte, die richtige Antwort auf ihre Fragen nach der passenden Kopfbedeckung zu finden – es war das einzige Mal, dass sie ihn unschlüssig und verlegen erlebt hatte. Sie presste den Waschlappen gegen die feuchten Augen, um vorzutäuschen, die Seife brenne ihr in den Augen.
„Tatsächlich?“, murmelte sie matt. „Einerlei, es muss genügen, auch wenn es zum Dinner ungeeignet ist. Ich hoffe, Mr. Catterick übt Nachsicht mit mir.“ Mr. Catterick, dessen war sie sicher, würde auch Nachsicht üben, wenn sie kostümiert wie zum Maskenball zum Abendessen erschien, so stolz war er, eine Großherzogin zu Gast in seinem protzigen Haus zu Besuch zu haben.
Frisch gebadet und angekleidet, gestärkt durch einen kalten Imbiss, begab Eva sich in die unteren Räume. Sie versuchte, eine gelassene Haltung einzunehmen, die ihren inneren Aufruhr verbarg. Der Geschützdonner wollte nicht aufhören, auf der Straße spielten sich chaotische Szenen ab, wie sie von ihrem Fenster aus beobachtet hatte. Die Bediensteten konnten kaum ihre Angst und Aufregung verbergen, die Franzosen so gefährlich nahe zu wissen. Eva dachte an die Soldaten, die sie am Morgen gesehen hatte. Die freundlichen Offiziere, denen die Kugeln um die Ohren pfeifen mussten, kämpften einen höllischen Kampf um ihr Leben, waren Dreck, Blut und dem stinkenden Rauch des Schießpulvers ausgesetzt.
Bonaparte hatte in der Schlacht von Quatre-Bras den Sieg errungen, hieß es auch hier. Würde er auch in Mont-Saint-Jean triumphieren?
Und wo war Jack? Der Butler, der sie am Fuß der Treppe erwartete, berichtete, dass Mr. Catterick und Mr. … ähm … Ryder sich ins Arbeitszimmer zurückgezogen hatten, um Vorbereitungen für ihre Weiterreise nach England zu treffen. Ob er Ihrer Königlichen Hoheit irgendwie behilflich sein könne?
Mr. … ähm … Ryder, aha! „Ja, gern. Ich würde, falls sich ein Exemplar im Haus befindet, einen Blick in das englische Adelsverzeichnis werfen wollen.“
„Gewiss, Ma’am. Wenn Sie die Güte haben, mir in die Bibliothek zu folgen. Nehmen Sie bitte Platz, ich bringe Ihnen den Almanach.“
Eva setzte sich an einen glänzend polierten Mahagonitisch und wartete, bis der Butler ihr das in rotes Leder gebundene Buch vorlegte. „Vielen Dank. Das wäre alles.“
Ryder. Rycroft … Riddle … Ribblesthorpe. Ihr Finger, der rasch die Namensliste nach unten fuhr, wurde langsamer. Da. Lord Charles Ryder, Earl of Felbrigge, verstorben. Verheiratet … Kinder … Lady Amelia Ryder, Gemahlin von Francis Edgerton Ravenhurst, dem dritten Duke of Allington. „Hmm. Einen Duke könnte man generell als hochnäsig bezeichnen“, überlegte sie halblaut und dachte an Henrys lebhafte Beschreibung von Jacks Vater. Aber das konnte doch nicht …
Sie suchte weiter, diesmal nach Allington. Der jetzige Duke war Charles, eindeutig zu alt, und seine Mutter war nicht Lady Amelia und überdies vor einigen Jahren verstorben. Aha, hier! Zum zweiten Mal verheiratet mit Lady Amelia hatte der zuvor genannte Duke zwei weitere Kinder gezeugt. Sebastian John Ryder Ravenhurst und Belinda Ravenhurst, nunmehr Lady Cambourn.
Jack war die in England gebräuchliche Kurzform für John. Also war Jack eigentlich Lord … Eva überlegte mit gefurchter Stirn, wie die richtige Bezeichnung des jüngsten Sohnes eines englischen Dukes lautete. Ah ja, die Vornamen. So wurde die Gemahlin von Lord Sebastian seltsamerweise als Lady Sebastian bezeichnet.
Allerdings war Jack nicht verheiratet und stand, nach allem, was er sie hatte wissen lassen, mit seiner Familie auf Kriegsfuß. Nein, das stimmte nicht ganz. Er hatte mit leichter Belustigung, allerdings nicht ohne Zuneigung, von seinen zahlreichen Verwandten gesprochen. Es war nur der Vater, zu dem er ein gespanntes Verhältnis hatte. Und er schien nicht besonders stolz auf seine Herkunft als englischer Aristokrat zu sein.
Er hatte sich für das Leben eines Abenteurers entschieden, nicht aus Geldmangel oder weil er
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