HISTORICAL BAND 295
Licht des neuen Tages getaucht wurde. Sein Blick wanderte über die Dächer der vorgelagerten Gebäude bis zu den dahinter liegenden Feldern, und er empfand großen Stolz. Als er Ravenswood im letzten Jahr zum ersten Mal gesehen hatte, wäre er nie auf den Gedanken gekommen, dass er diesen Ort einmal sein Zuhause nennen würde. Doch im Verlauf dieses Jahres hatte er sich mit jedem Winkel, jedem Acker, mit jeder Hecke und jedem Graben vertraut gemacht. Dieses Land, das ihm gehörte, war gutes, fruchtbares Land. Aber das war noch nicht alles, denn das Land besaß eine innere Kraft, die das Herz eines Mannes zu berühren vermochte. Manchmal kam es ihm vor, als hätte das Land ihn erobert und nicht umgekehrt. Er spürte, wie die friedvolle Ausstrahlung der Landschaft ihn erfasste, während er die kühle Luft tief einatmete. Mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen schaute er zu seinem Schwert, das auf einer Truhe lag. Sollten andere ihre Segel setzen und mit ihren Drachenbooten fremde Länder ansteuern – er hatte etwas Besseres gefunden.
Ein leises Geräusch veranlasste ihn, sich umzudrehen und nach Elgiva zu sehen, die sich im Halbschlaf bewegte. In der Wiege neben ihr lag ihr Sohn Wulfgar und schlief fest. Er war während eines Märzsturms zur Welt gekommen, ein kräftiger, gesunder Junge mit dunklem Haarschopf und strahlend blauen Augen. Als Wulfrum die beiden sah, erfüllten Liebe und Stolz sein Herz. Sie waren so verwundbar und doch so schön, dass es ihn berührte. Einmal hatte ihm das Schicksal alles weggenommen, was ihm lieb und teuer war, doch dafür war er nun in vollem Umfang entschädigt worden.
Elgiva bemerkte im Halbschlaf, dass die andere Hälfte des Betts leer war. Sie schlug die Augen auf und hob den Kopf. „Wulfrum?“ Als sie ihn am Fenster entdeckte, lächelte sie und streckte einen Arm nach ihm aus. „Komm wieder ins Bett. Es ist noch so früh.“
Er stieß sich von der Wand ab und kehrte zurück ins Bett. Dort zog er die Felldecken über sich und schloss Elgiva in die Arme, um ihre Wärme zu spüren. Sie lächelte, schloss die Augen und schlief gleich wieder ein. Eine Weile lag Wulfrum nur da und lauschte ihrem gleichmäßigen Atmen, dann fielen auch ihm wieder die Augen zu. Draußen trafen die ersten Sonnenstrahlen auf das Laubdach der schützenden Wälder rings um Ravenswood.
– ENDE –
Im Liebesbann des Highlanders
1. KAPITEL
Frühjahr 1306
Die Kräuter besaßen keine Kraft.
Violet of Caladan kniete am Ufer des Flusses. In den Händen hielt sie tropfende Blätter, die sie zuvor in die kühle Frühlingsströmung getaucht hatte. Als die alte Morag ihr den Beutel mit Kräutern gegeben hatte, war Violet nicht klar gewesen, wie sehr sie sich wünschte, der törichte Liebeszauber würde Wirkung zeigen.
„Ihr werdet Euch den Tod holen“, schimpfte Inna, ihre Magd. „Außerdem ist die Suche nach Liebe vergeblich, jetzt, da Euer Vater Euch mit einem Kriegsherrn verheiraten will.“
Unter missbilligendem Brummen packte Inna ihr Pferd an der Mähne. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie zurückkehren wollte. Die unbeständige Aprilsonne besaß noch wenig Kraft, und es war empfindlich kühl.
„Mein Vater will mich nur beschützen“, rief Violet sich selbst ebenso wie Inna ins Gedächtnis. Der Earl of Caladan hatte aufgrund der Schmerzen, die eine alte Kriegsverletzung ihm bereitete und die er täglich mit starken Getränken betäubte, beinahe den Verstand verloren. Nun beharrte er darauf, seine einzige Tochter solle einen mächtigen Krieger heiraten, der in den Ländereien von Caladan für Recht und Ordnung sorgte.
Ja, sie konnte ihren Vater verstehen. Das bedeutete jedoch nicht, dass ihr sein Plan gefiel.
Doch ob es ihr gefiel oder nicht, änderte nichts an der Tatsache, dass in der Nähe große Gefahr lauerte. Nachdem schon seit mehreren Monden Gerüchte über Geister und unnatürliche Bestien im Wald von Caladan umgingen, war kürzlich ein Toter ans Flussufer gespült worden. Seine Lippen hatten eine unnatürliche Blaufärbung aufgewiesen. An der Leiche waren keine Wunden erkennbar, obgleich ihr ein starker Blutverlust anzusehen war.
Violet erschauderte, als sie daran dachte. Sie wollte nicht, dass ihr Vater bewaffnete Männer in den Wald entsandte, da Freunde wie die alte Morag dort wohnten. Auch sträubte sie sich zu glauben, dass dort ein Mörder sein Unwesen trieb. Doch der Earl war entschlossen, das Böse aus seinen Wäldern zu vertreiben, und suchte nach einem
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