HISTORICAL BAND 295
kannte Wulfrum nur ein Ziel: Er wollte Aylwin finden und töten. Aus der Kampfeslust wurde im nächsten Moment ohnmächtige Wut, als Wulfrum sah, dass sein auserkorener Gegner bereits mit einem seiner Männer einen Kampf auf Leben und Tod ausfocht. Die beiden waren gut zwanzig Schritt entfernt, und der Weg zu ihnen wurde ihm von etlichen weiteren Kämpfern versperrt. Sein Zorn kannte keine Grenzen mehr, als er dann auch noch sah, wer Aylwin an seiner Stelle bekämpfte.
„Sweyn!“
Falls dieser den erzürnten Aufschrei überhaupt gehört hatte, reagierte er nicht darauf. Sogar auf diese Entfernung konnte Wulfrum sehen, wie die Augen des Berserkers vor Kampfeslust leuchteten, während er seinen Gegner Schritt für Schritt vor sich her trieb. Auch wenn er sich über Sweyn ärgerte, musste er doch dessen Dreistigkeit bewundern, seinem Jarl den Gegner streitig zu machen. Er presste die Lippen zusammen und bahnte sich einen Weg zwischen den Kämpfenden hindurch, entschlossen, seinen ärgsten Feind nicht an Sweyn zu verlieren. Doch wann immer er einen Angelsachsen zu Boden schickte, nahm sofort ein anderer dessen Platz ein. Fluchend kämpfte Wulfrum weiter.
Elgiva zerrte verzweifelt an den Riemen, mit denen man sie gefesselt hatte, aber es half nichts. Gleichzeitig verfolgte sie entsetzt das Gemetzel, das sich vor ihren Augen abspielte. Das waren Wulfrums Männer. Er war gekommen, um sie zu retten! Aufgeregt suchte sie in der Menge nach ihm, aber sie konnte ihn nicht entdecken. Oh Gott, lass ihn siegen, betete sie stumm. Lass ihn das hier unverletzt überstehen. Ihr Blick blieb an Aylwin hängen, der gegen einen großen blonden Wikinger um sein Leben kämpfte. Entsetzen erfasste sie, als sie seinen Gegner erkannte: Sweyn!
Angewidert und fasziniert zugleich beobachtete sie, wie die Schwerter gegeneinanderschlugen und dabei Funken sprühten. Aylwin kämpfte bemerkenswert gut, jedoch war er doppelt so alt wie sein Gegenüber, und Sweyns Schnelligkeit und Ausdauer war er nicht gewachsen. Schon jetzt wies sein Waffenrock Blutflecken auf. Seine Stirn war schweißnass, und er wurde immer wieder von Sweyn zurückgetrieben. Da geschah es, dass er mit der Ferse gegen einen Stein stieß und ins Wanken geriet. Er verlor nur für einen Augenblick das Gleichgewicht, doch diese winzige Zeitspanne genügte. Elgiva unterdrückte einen Aufschrei, als sie sah, wie Sweyn die Klinge tief in den ungeschützten Leib seines Gegners trieb. Als er das Schwert zurückzog, knickten Aylwin die Knie ein, und er sank zu Boden. Der Wikinger schaute auf seinen gefallenen Feind hinab, dann begann er ausgelassen zu lachen. Im nächsten Augenblick sah er sich gleich mit drei wütenden Angelsachsen konfrontiert, die ihren Anführer rächen wollten. Sweyn setzte sich wie ein Wahnsinniger zur Wehr, tötete einen von ihnen und verletzte den zweiten, ehe ihn das Glück verließ und der dritte Rebell ihm seine Klinge tief in den Brustkorb stoßen konnte. Sweyn taumelte und fiel, er war bereits tot, noch bevor er auf dem Boden aufschlug. Das Schwert hielt er noch fest in der Hand, seine Lippen waren zu einem Lächeln verzogen. Elgiva schauderte, und sie musste den Blick abwenden.
Wulfrum sah Sweyn zu Boden gehen, doch als er endlich zu ihm gelangte, war der Berserker bereits tot. Ganz in seiner Nähe lag Aylwin. Er lebte noch, doch aus einer tiefen und langen Wunde an seiner Seite schoss das Blut heraus und bildete unter ihm eine große Lache. Einen Moment lang rührte sich Wulfrum nicht, sondern betrachtete nur den tödlich verletzten Feind. Er war um die ersehnte Rache betrogen worden. Der Angelsachse bemerkte offenbar seine Gegenwart und öffnete schwach die Augen.
Dann sprach er keuchend: „So endet es also, Wikinger.“
„Ja, so endet es.“ Wulfrum bückte sich und packte Aylwin am Kragen seines Waffenrocks. „Wo ist meine Frau? Was habt Ihr mit ihr gemacht?“
„Sie ist unverletzt“, brachte der Angelsachse mühsam heraus und musste husten. Jedes Wort schien ihm Qualen zu bereiten. „Ich habe sie gezwungen mitzukommen … wollte sie Euch wegnehmen … aber … sie liebt euch.“ Er unterbrach sich und atmete angestrengt. „Ihr müsst … gut auf sie aufpassen.“
Dann stieß er ein letztes Mal den Atem aus und rührte sich nicht mehr. Beim Blick in die gebrochenen Augen des Angelsachsen lächelte Wulfrum finster und hielt das Heft seines Schwerts fester umfasst.
„Ich werde gut auf sie aufpassen, das schwöre ich.“
Er richtete sich auf
Weitere Kostenlose Bücher