HISTORICAL BAND 295
wollte Halfdan wissen.
Aus seinen Gedanken gerissen, stutzte Wulfrum. Unter den Anwesenden machte sich Unruhe breit. Sollte Elgiva auf die Idee gekommen sein, ihm einen typisch weiblichen Streich zu spielen, dann würde er losgehen und sie hinter sich her auf die Lichtung schleifen. Würde sie es wirklich wagen, ihn vor seinen Leuten und seinem Fürsten lächerlich zu machen? Bei Odins Bart, wenn sie …
Den Gedanken führte er nicht zu Ende, da ihm auffiel, dass die Anwesenden jäh verstummt waren und auf einen Punkt am Waldrand schauten. Er drehte sich um und musste zweimal hinsehen, da er seinen Augen nicht trauen wollte. Seine Wut war auf der Stelle verraucht. Elgiva, die in Begleitung von Hilda und Osgifu auf ihn zukam, sah beinahe unwirklich schön aus. Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die Baumkronen hindurch bahnten, tauchten sie in einen Lichtkranz. Sie trug das goldgelbe Kleid, ihr blondes Haar fiel ihr über die Schultern und wurde nur von einem Kranz aus Blumen geschmückt. Dabei bewegte sie sich so anmutig, dass sie wie ein überirdisches Wesen wirkte.
„Bei Thors Donnern“, murmelte Olaf Eisenfaust. „Sie ist wunderschön.“
Halfdan, der neben ihm stand, nickte zustimmend. „Ich frage mich, ob es nicht übereilt von mir war, sie Wulfrum zu überlassen.“
Wulfrum hatte Wut und Zweifel vergessen, stattdessen verspürte er zum ersten Mal Stolz darauf, dass die schöne Angelsächsin seine Frau sein würde. In diesem Moment hätte wohl jeder seiner Männer mit ihm tauschen wollen.
Anmutig und erhobenen Hauptes überquerte Elgiva die Lichtung, wobei sie weder nach links noch nach rechts blickte, sodass ihr nicht anzusehen war, ob sie sich der Aufmerksamkeit, die ihr von allen Seiten entgegenschlug, bewusst war. Als sie Wulfrum erreicht hatte, knickste sie kurz, aber graziös und sah ihn flüchtig an, als er nach ihrer Hand griff.
„Du strahlst wie die Sonne, Elgiva.“
Die Bewunderung, mit der er sie betrachtete, beantwortete sie mit einem kühlen, desinteressierten Blick. „Zu gütig von Euch, Herr.“
Ob ihm ihr ironischer Tonfall auffiel, ließ er sich nicht anmerken, als er sie zu dem wartenden Priester führte. Sie überspielte rasch ihr Erstaunen darüber, dass Pater Willibald mitten auf der Lichtung stand, waren doch die meisten Wikinger mit dem christlichen Glauben nicht vertraut und beteten nach wie vor ihre alten Götter an. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie kaum etwas über Wulfrums Glauben wusste. Insgeheim hatte sie damit gerechnet, eine heidnische Trauung über sich ergehen lassen zu müssen, die von ihren Landsleuten niemals als rechtlich bindend angesehen werden würde. Hatte Wulfrum das gewusst und es zu vermeiden versucht? So musste es wohl sein. Diese Heirat sollte nicht nur sie beide vereinen, sie sollte seinen Anspruch auf das Land stärken. Ihr Herz begann heftiger zu schlagen. Jetzt gab es für sie kein Entkommen mehr.
Die Zeremonie verlief ohne Zwischenfälle. Auch wenn Elgiva darauf gehofft hatte, kam es nicht zu Störungen oder Unterbrechungen. Es gab kein göttliches Einschreiten gegen diese Eheschließung, und genauso wenig schickten ihre Landsleute ein Heer, das sie im letzten Moment vor der Heirat bewahrte. Der Geistliche sprach seinen Text, die Ringe wurden getauscht, und dann zerriss unbändiger Jubel die Stille, als Wulfrum seine Braut in die Arme nahm und den Schwur mit einem Kuss besiegelte. Elgiva ließ ihn gewähren, erwiderte aber weder die Umarmung noch den Kuss.
Wulfrum strich mit den Lippen sanft über ihr Haar, als er ihr zuflüsterte. „Ich werde dich so lange festhalten, bis du mich küsst, Elgiva.“
Sie wusste, das war keine leere Drohung, also ging sie lieber auf seine Forderung ein, statt sich auf eine längere und intimere Umarmung einzulassen. Der Jubel wurde so laut, dass er weit über die Lichtung hallte. Wulfrum lehnte sich ein wenig zurück, um ihr Gesicht zu betrachten. Während er sie anlächelte, legte Elgiva ihm eine Hand auf die Brust.
„Herr, ich möchte Euch um etwas bitten.“
„Sprich es aus, Elgiva. Ich werde dir nichts verweigern, solange es ein vernünftiges Anliegen ist und es in meiner Macht steht.“
„Es geht darum, dass die Gräber meiner gefallenen Landsleute vom Priester geweiht werden sollten.“
Einen Moment lang musterte er sie schweigend, dann nickte er. „Gut, es soll geschehen.“
Sie atmete erleichtert auf. Diese Weihe wäre eine versöhnliche Geste, die ihrem Volk gefallen würde, und
Weitere Kostenlose Bücher