HISTORICAL BAND 295
Miene sah, musste er sich ein Grinsen verkneifen. „Keine Angst, Elgiva. Wenn er mir gut dient, wird Gurth nichts geschehen.“
„Er wird Euch gut dienen“, gab sie zurück.
„Gut, denn ich möchte, dass hier auf Ravenswood die Ordnung wiederhergestellt wird.“
„Ich ebenfalls. Ich sehne mich nach den Verhältnissen, die hier herrschten, als mein Vater noch lebte.“
„Ich verspreche dir, so wird es wieder sein.“
Elgiva glaubte ihm. Schon jetzt zeugten die Bau- und Reparaturarbeiten überall auf Ravenswood davon, dass er es ernst meinte. Es freute sie, den Fortschritt dieser Arbeiten beobachten zu können. Aber noch mehr freute sie sich darüber, dass er sie um Rat gebeten und ihren Ratschlag auch noch beherzigt hatte.
„Gurth wird ein Gewinn für uns sein“, sagte sie, dann sah sie ihren Ehemann von der Seite an. „Würdet Ihr wirklich zulassen, dass Olaf ihn tötet, wenn er Euren Erwartungen nicht gerecht wird?“
„Selbstverständlich. Ich habe weder mit Verrat noch mit Unfähigkeit Nachsicht. Olaf wird den Mann im Auge behalten, und er hat nichts für Narren übrig.“
„Gurth ist kein Narr.“
„Das höre ich gern. In dem Fall könnte es sein, dass er leben darf.“
Wulfrum sah Eisenfaust an, dann begannen beide laut zu lachen. Zu spät wurde Elgiva klar, dass die Männer sie nur aufgezogen hatten. Wütend funkelte sie die beiden an. „Oh, Ihr …“ Aber ihr wollten keine passenden Worte einfallen.
Das ließ Wulfrum nur noch lauter lachen, während Elgiva über sich selbst den Kopf schüttelte, weil sie so blindlings in die Falle gelaufen war. Immerhin, es ist ja niemand zu Schaden gekommen, dachte sie, und plötzlich gelang es ihr, die lustige Seite des Ganzen zu sehen. Gegen ihren Willen musste sie ebenfalls lachen.
Verdutzt sah Wulfrum sie an und verstummte. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie noch schöner werden könnte, doch jetzt sah er es mit eigenen Augen.
Als sie seinen eindringlichen Blick bemerkte, fühlte sich Elgiva mit einem Mal verlegen, und ihr Lachen verklang. Es war eindeutig Zeit zu gehen.
„Herr, ich fürchte, ich kann es heute nicht mit Euch aufnehmen. Mit Eurer Erlaubnis möchte ich mich zurückziehen, da ich noch manches zu erledigen habe.“
Wulfrum schien enttäuscht. „Wie du wünschst, Elgiva.“
Sie nickte Eisenfaust zu, dann durchquerte sie den Saal in Richtung Treppe, wobei sie wusste, dass jeder ihrer Schritte beobachtet wurde.
Es war nicht gelogen, als sie sagte, sie müsse noch das ein oder andere erledigen. Deshalb begab sie sich zügig in ihr Gemach, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Da bemerkte sie in den Schatten eine Bewegung und fuhr herum. Ein Mann in der Kleidung eines Bauern stand vor ihr, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Ihr stockte der Atem.
„Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?“
„Kennt Ihr mich nicht mehr, Elgiva?“ Der Mann schob die Kapuze zurück, und sie erkannte Aylwin.
„Ihr?“
„Hatte ich nicht versprochen, ich würde herkommen?“
Elgiva fasste sich an die Kehle. „Aylwin, Ihr dürft hier nicht gesehen werden. Die Wikinger werden keine Gnade walten lassen.“
„Brekka hält Ausschau. Er wird mich warnen, wenn sich jemand nähert.“ Aylwin lächelte sie an. „Aber ganz gleich, wie gefährlich es ist, ich musste Euch wiedersehen.“ Er betrachtete sie eingehend. „Ihr seht gut aus, Elgiva.“
„Ich kann mich nicht beklagen“, antwortete sie. „Und Ihr? Sind Eure Wunden verheilt?“
„Größtenteils ja.“
„Dann flehe ich Euch an zu gehen. Verlasst diesen Ort, solange es noch möglich ist.“
„Und Euch soll ich im Stich lassen?“
„Das müsst Ihr. Ich bin jetzt Wulfrums Ehefrau.“
Er zog die Brauen zusammen. „Der Wikinger mag Euch gezwungen haben, ihn zu heiraten, aber Eure Gefangenschaft wird bald vorüber sein.“
„Wie soll ich das verstehen?“
„Ich werde nicht kampflos das aufgeben, was mir gehört.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich gehöre Euch nicht mehr, Aylwin.“ Als sie das aussprach, wurde ihr klar, dass sie ihm eigentlich nie gehört hatte.
„Ihr werdet wieder mir gehören, Elgiva, das schwöre ich Euch. Ich werde Euch vom Joch dieser verfluchten Wikinger befreien.“ Dann fasste er sie an den Schultern und sah ihr in die Augen. „Ich habe so lange von diesem Moment geträumt, aber jetzt, da ich vor Euch stehe, kann ich kaum glauben, dass dies die Wirklichkeit ist.“
Das fast schon fanatische Leuchten in seinen Augen erschreckte Elgiva so
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