HISTORICAL BAND 295
Ceolnoth. „Ich und meine Frau danken Euch.“
Hilda war so verdutzt, dass sie nur „Danke“ stammeln konnte. Ganz offenbar hatte sie nicht mit Geschenken gerechnet. Auch für Elgiva kam das völlig überraschend, und sie konnte nur mit weit aufgerissenen Augen ihren Ehemann ansehen.
„Heute Abend werden wir eure Vermählung feiern“, verkündete Wulfrum. „Und vielleicht können wir in Zukunft noch viele Hochzeiten mehr feiern.“
Elgiva betrachtete das Brautpaar einen Moment lang, dann wandte sie sich zu Wulfrum um. „Das war ein großzügiges Geschenk.“
„Es ist nur angemessen, dass ich diejenigen belohne, die mir treue Dienste leisten“, antwortete er. „Außerdem sorgt eigenes Land dafür, dass ein Mann sich an einen Ort gebunden fühlt und ihn noch eifriger verteidigt. Es sichert mir seine Loyalität und die seiner Familie.“
„Und seine Frau ist auch versorgt.“
„Richtig. Eines Tages werden viele weitere von meinen Männern sich eine Frau suchen, und wenn sie heiraten, werden sie Land bekommen. Es gibt hier genug, und der Boden ist gut und fruchtbar.“
Und er gehört den Angelsachsen, dachte Elgiva, sprach den Gedanken aber nicht aus. Mit seinem Geschenk hatte er für Hilda und ihren Ehemann gut gesorgt. Vielleicht würde sich ja für ihre Dienerin doch alles zum Guten wenden. In jedem Fall war die Sache günstiger ausgegangen, als sie es sich noch einen Tag zuvor hätte träumen lassen.
Wulfrum spürte, dass sich Elgivas Laune ein wenig besserte. Sie sträubte sich nicht länger gegen seine Umarmung, und auch wenn sie ihn nicht gerade mit strahlender Miene anschaute, war doch das zornige Funkeln aus ihren bernsteinfarbenen Augen verschwunden. Jetzt, da er seine Frau an sich gedrückt hielt, konnte er den würzigen Duft der Kräuter und die erregende Wärme ihres Körpers wahrnehmen. Er beugte den Kopf vor und gab ihr einen Kuss auf den Mund.
Der Kuss kam für Elgiva so aus heiterem Himmel, dass sie sich nicht dagegen wehrte. Bald wurde er inniger, und ihr Herz begann schneller zu schlagen, da eine wohlige Wärme sie durchströmte. Als Wulfrum sich von ihr löste, spürte sie, wie ihre Wangen glühten. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass den Umstehenden nicht entgangen war, was sich soeben zwischen ihnen abgespielt hatte.
„Herr, Eure Männer …“
„Lass sie gucken.“
Dann küsste er sie erneut, aufreizend langsam diesmal, sodass er deutlich spüren konnte, wie sich ihre Lippen dem sanften Druck seines Mundes ergaben. Himmel, wie sehr er sie begehrte, wie sehr er sie lieben wollte, jetzt und hier, bis sie ihn anflehte, ihr Erlösung zu schenken. Doch er wusste, das konnte er nicht machen. Nicht nur, dass sie sich hier mitten in der Öffentlichkeit befanden, Elgiva war außerdem viel zu befangen. Widerwillig ließ er abermals von ihr ab und musterte ihren Gesichtsausdruck, den er jedoch nicht zu deuten wusste. Er hätte ein Vermögen dafür gegeben, zu erfahren, was sie in diesem Moment dachte. Mit Mühe bekam er sich wieder in den Griff und lockerte seine Umarmung.
Verwirrt wandte Elgiva sich ab, entsetzt über ihre Reaktion auf diese Küsse. Den ersten hatte er sich noch geraubt, den zweiten dagegen hatte sie nur zu bereitwillig erwidert. Sie hätte Abscheu empfinden müssen, doch das war nicht der Fall gewesen. Ganz im Gegenteil, sie hatte eine Sehnsucht gespürt, fast so, als wollte sie noch einmal von ihm geküsst werden. Diese Erkenntnis war wie ein Schlag ins Gesicht, erinnerte sie sie doch an seine Worte: Du wirst zu mir kommen . Peinlich berührt löste sie sich aus seiner Umarmung und wandte sich zum Gehen.
„Wovor hast du Angst, Elgiva?“
„Vor gar nichts.“ Ihre Wangen nahmen ein noch kräftigeres Rot an.
„Du lügst.“
„Nein, es ist die Wahrheit.“
„Wirklich?“ Er kam näher, und sie sah sein Lächeln.
„Ich … es ist wegen der Kräuter. Ich bin mitten in der Arbeit von Hilda unterbrochen worden. Ich muss weitermachen, sonst kann ich die Kräuter nicht mehr gebrauchen.“
Sein Lächeln wurde noch breiter und zeigte ohne Worte, dass er ihr nicht glaubte und dass ihre Verwirrung ihn belustigte. Immerhin versuchte er nicht, sie festzuhalten, sondern ließ sie gehen. Verzweifelt versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen, während sie unter seinem aufmerksamen Blick die Flucht antrat. Anders konnte sie es nicht nennen, denn wäre sie noch länger geblieben, hätte sie sich von ihm wieder küssen lassen. Bei dem Gedanken daran, welche Macht diese
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