HISTORICAL BAND 295
will.“
Ein paarmal atmete Hilda tief durch, während sie mit dem Handrücken die Tränen wegwischte. „Er hat mich gegen meinen Willen genommen, und vielleicht erwarte ich schon ein Kind von ihm. Ich will nicht auch noch einen Bastard zur Welt bringen, der die Verachtung der ganzen Welt zu spüren bekommen wird, aber …“ Sie hielt kurz inne. „Ach, ich habe solche Angst.“
Erneut begann sie zu weinen, und Elgiva drückte sie an sich, um sie zu trösten.
„Ich hatte auch Angst, Hilda.“
„Ihr hattet nie Angst, Herrin. Ich habe Euch an dem Tag gesehen, an dem Ihr Lord Wulfrum geheiratet habt. Ihr habt so ruhig ausgesehen, als Euch all diese Männer gegenüberstanden. Die konnten Euch noch so finster anblicken, Ihr habt nicht mal mit der Wimper gezuckt.“
„Das schien nur so, Hilda. Ich wäre am liebsten weggelaufen, so weit weg, dass sie mich nicht wiedergefunden hätten. Aber das habe ich nicht getan, weil ich wusste, es würde mir nicht gelingen. Und ich wollte ihnen nicht die Genugtuung geben, mir meine Angst ansehen zu können. Und so bin ich die Ehefrau von Jarl Wulfrum geworden, ob ich es nun wollte oder nicht. Ich kann nichts anderes tun, als das Beste aus meiner Situation zu machen.“
Hilda hörte ihr erstaunt zu, dann seufzte sie. „Und ich muss das Beste aus meiner Situation mit Ceolnoth machen.“
In dem Moment wurde energisch gegen die Tür gehämmert.
„Kommst du jetzt raus, Weib, oder muss ich dich holen?“
Osgifu durchquerte mit energischen Schritten den Raum und blieb vor der Tür stehen. „Sie kommt nach draußen, wenn sie bereit ist, Wikinger.“
„Sie kommt jetzt raus, alte Frau, oder ich finde heraus, warum das so lange dauert.“
„Wenn Ihr hier reinkommt, werde ich Euch den Schädel einschlagen, Ihr widerwärtiger Tölpel!“
Abermals wurde gegen die Tür gehämmert, doch Osgifu kümmerte sich nicht mehr darum. Elgiva hielt Hilda eine Schale mit kühlem Wasser hin, damit sie ihre Augen benetzen konnte, dann ging sie zur Tür und riss sie abrupt auf. Ceolnoth erschrak und ließ die geballte Faust sinken.
„Herrin?“
„Hilda kommt gleich zu Euch, geduldet Euch noch einen Moment.“
Ihre Stimme klang ruhig und höflich, doch es schwang ein nicht zu überhörender Befehlston darin mit, der Ceolnoth zögern ließ. Zu gern hätte er die Tür aufgestoßen, um seine Braut zu packen und aus dem Zimmer zu schleifen, doch das wagte er nicht. Er konnte sich vorstellen, wie Wulfrum reagieren würde, wenn er gegen dessen Frau handgreiflich geworden war. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Verärgerung hinunterzuschlucken. Elgiva blieb im Türspalt stehen und versperrte ihm weiter den Weg und die Sicht auf das, was hinter ihr lag. Augenblicke später tauchte Hilda neben ihr auf.
„Ich bin bereit“, erklärte sie.
Elgiva trat einen Schritt zur Seite und ließ sie vorbeigehen. Die junge Frau hatte ihre Fassung wiedererlangt, auch wenn ihren Augen noch anzusehen war, dass sie eben erst Tränen vergossen hatte. Einen Moment lang sahen sie und Ceolnoth sich schweigend an, dann lächelte er und hielt ihr seinen Arm hin. Nach kurzem Zögern hakte sich Hilda bei ihm unter, und Arm in Arm begaben sie sich in den Saal zu dem wartenden Priester. Elgiva nahm ihre Schürze ab, dann folgten sie und Osgifu den beiden.
Die Zeremonie dauerte nicht lange, aber die ganze Zeit über musste Elgiva an ihre eigene Hochzeit und an das Entsetzen denken, das sie dabei ausgestanden hatte. Plötzlich bemerkte sie, dass jemand neben ihr stand. Sie drehte den Kopf zur Seite und entdeckte Wulfrum, der noch ein Stück näherkam und einen Arm um ihre Schultern legte. Da sie immer noch wütend auf ihn war, versuchte sie, Abstand zu ihm zu gewinnen, aber er hielt sie fest. So standen sie da, bis die kurze Zeremonie vorüber war. Sobald die beiden verheiratet waren, kamen Ceolnoths Kameraden zu ihm und klopften ihm auf die Schulter. Als Wulfrum nähertrat, wichen sie ein paar Schritte zurück und machten ihm Platz, damit er gemeinsam mit seiner Frau den Frischvermählten gratulieren konnte.
„Ein langes Leben, Ceolnoth. Ein langes Leben, Hilda.“ Dann zog er einen silbernen Reif vom Oberarm und überreichte ihn dem jüngeren Mann. „Trag dies als Anerkennung für deine Dienste. Außerdem schenke ich euch eine Hufe gutes Land, damit ihr dort euer Heim errichten und starke Söhne großziehen könnt.“
Von allen Seiten brandete Jubel auf.
„Ihr seid sehr großzügig, Herr“, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher