Historical Band 298
ahntest, dass du sie tun kannst.“
„Ja!“ Wie ein vom Wintereis befreiter Strom stieg Erleichterung in ihr auf. Sie wurde verstanden. Hatte ihre Mutter einst auch so geliebt?
„Glaubtest du, ich würde dir meinen Segen verweigern?“
„Wirst du es tun?“
„Nicht, wenn ich davon überzeugt bin, dass es richtig ist.“
Das bedeutete weder Ja noch Nein. „Gibt es noch jemanden, der zustimmen muss?“
„Der König. Es sieht aber nicht so aus, als würde er Einspruch erheben. Heutzutage ist vieles anders als zu der Zeit, als Solay verheiratet wurde.“
„Aber es wird den König interessieren? Wegen meines Bluts?“
Ihre Mutter nickte. „Was bedeutet dir dieses Blut jetzt?“
Duncans Reaktion hatte ihr gezeigt, dass es oftmals ein Hindernis sein konnte. Aber sie wollte nicht, dass ihre Mutter das wusste. „Ich glaubte immer, wenn ich ein Mann wäre und von königlicher Abstammung, würde mir alles zufliegen, was die Welt zu bieten hat. Aber ich habe den König gesehen. Er ist nur ein Mensch und bei Weitem nicht so tapfer und ehrenvoll wie der Mann, den ich liebe.“
„Es gibt etwas, das du jetzt wissen musst.“
Verblüfft neigte Jane den Kopf und versuchte in den Augen ihrer Mutter zu lesen. Dazu war es aber zu dunkel. „Was?“
Ihre Mutter legte Jane die Hände auf die Schultern. „Dein Blut ist nicht königlicher als meins.“
„Aber …?“ Und dann dämmerte ihr die Wahrheit. „Wer?“
„Mein Gatte war dein Vater.“
William de Weston. Eine Schattengestalt im Gegensatz zum König, dem alternden Löwen, der sie auf seinem Schoß gehalten hatte, der Teil ihrer Erinnerungen war. „Und Solay?“
„Ihr beide.“
„Aber warum?“ Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Bevor der König starb, hatte sie den Gatten ihrer Mutter nicht einmal gesehen.
„Aus dem gleichen Grund, aus dem du bereit bist, dein Leben für einen Mann zu geben, den andere vielleicht meiden. Weil ich einen Mann sehr liebte. Genug liebte, um ihm das zu schenken, was er sich am meisten wünschte: das Gefühl, immer noch ein Mann zu sein.“
Ein alternder König, der spürte, wie seine Größe schwand. Oh ja, wenn er im Herbst seines Lebens den Beweis seiner Männlichkeit erhielt, würde ihm das neuen Lebensmut geben.
Und dann war da Duncan, der sich nicht mehr sicher war, ein Mann zu sein, weil er nicht wusste, ob er für eine Frau würde sorgen können. „Ich muss so etwas auch für Duncan tun. Aber wie?“
„Du musst deine eigene Antwort finden.“
Sie hoffte, dass sie sie finden würde. „Aber warum hast du es uns nach dem Tod des Königs nicht erzählt?“
„Ich dachte, es gibt dir einen Grund, stolz zu sein.“
Und das hatte es auch. Bis sie ihre eigene Stärke entdeckte. „Aber Solay hast du es erzählt?“
„Sie fand es per Zufall heraus, als wir nach den Prozessakten forschten.“
Der Prozess. Pickering.
Das warme Gefühl, verstanden zu werden, verebbte vor dem zu erwartenden Sturm. „Mutter, da ist noch etwas, das ich dir über Duncan sagen muss. Er ist ein Freund von Sir James Pickering.“
Ihre Mutter saß ruhig im Dunkel.
„Solay fürchtete, du könntest mir verbieten, einen Mann zu heiraten, der sein Freund ist.“
„Ach, meint sie das?“ Jane hörte etwas wie ein unterdrücktes Lachen. „Wie könnte ich es einem Anwalt übel nehmen, wenn er seine Arbeit macht? Es war nicht Pickerings Fehler, dass wir das Haus verloren. Es war meiner.“
„Deiner?“
„Weil ich das Geheimnis eurer Abstammung für mich behielt. Hätte ich ihnen gesagt, dass ihr Williams Kinder seid, hätte es außer Frage gestanden, dass das Haus euch gehört.“
Es war also kein Mann gewesen, der behalten oder verloren hatte, was ihnen zustand. Es hatte an der Entscheidung einer Frau gelegen.
„Vielleicht hätte ich es euch sagen sollen“, meinte ihre Mutter. „Aber ich hatte euch beiden so wenig zu geben.“
„Ich glaube, das ist jetzt nicht mehr wichtig.“ Außer für Duncan.
„Nicht wichtig?“ Der alte scharfe Ton lag wieder in der Stimme ihrer Mutter. Die Erinnerung an all das, was sie geopfert hatte.
„Es tut mir leid. Ich wollte nicht …“
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. Dann seufzte sie. „Seltsam, wie man sich quält um Dinge, die man für wichtig hält. Und am Ende ist es doch nur wertloses Zeug.“
Und spielt keine Rolle mehr, außer für ihre Mutter und den König.
Das Feuer war heruntergebrannt. Durch den offenen Fensterladen sah Jane den dunklen Winterhimmel, an dem ein
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