Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Historical Band 298

Historical Band 298

Titel: Historical Band 298 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blythe Gifford Terri Brisbin
Vom Netzwerk:
„Die Wahrheit sollte eigentlich genügen.“
    Darauf sagte keiner etwas. Selbst Jane wusste, wie selten die Wahrheit genügte.
    Geoffrey wandte sich jetzt ihr zu. „Du bist nicht aus dem Norden, was, Little John?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Bedford.“ Die Antwort fiel ihr inzwischen schon leichter.
    „Bist ein zweiter Sohn, wie?“, fragte Henry.
    Duncan antwortete für sie. „Little John ist Waise.“
    „Ich habe nur noch eine Schwester.“ In Cambridge gab es keine erstgeborenen Söhne. Der älteste Sohn bekam die Ländereien. Die jüngeren hatten die Wahl zwischen Kriegshandwerk, Universität oder Kirche. Also musste sie irgendwie erklären, warum sie nicht in den Genuss des Familienbesitzes kam. „Der Lehnsherr nahm sich die Burg wieder zurück.“
    Duncan warf ihr einen scharfen Blick zu. Eine Burg und eine Schwester hatte sie bisher nicht erwähnt. „Bis du alt genug bist?“ Schwang da etwa Misstrauen in seiner Frage mit?
    „Nein. Es ist wegen … meiner Verletzung.“
    Sie wartete auf Fragen, aber keiner sagte etwas. Duncan musterte sie abwägend. Sie senkte die Augen und streckte die Beine unter dem Tisch aus, die Knie immer noch eng zusammengepresst.
    Um überzeugend zu wirken, sollte sie die Geschichte vielleicht etwas ausschmücken.
    „Ihr müsst wissen“, begann sie, „ich wurde von einem Pferd getreten, als ich sechs war …“
    „Nein, John. Du musst nicht …“ Duncans Stimme hatte einen drängenden Ton. Er legte ihr eine Hand auf den Arm, und sie spürte, wie ihr Herz schneller pochte.
    Sie gab aber nicht nach. Sie musste ihnen eine Erklärung bieten, eine Entschuldigung dafür, dass sie nicht so war wie die anderen am Tisch. „Genau hier, in die Rippen.“ Sie hob den Arm, um ihnen die Stelle zu zeigen. „Es ist nie richtig geheilt, deshalb kann ich kein Schwert schwingen …“
    Sie verstummte. Geoffrey und Henry starrten in ihr Bier, aber Duncan zeigte unerklärlicherweise ein strahlendes Grinsen. „In die Rippen, sagst du?“
    „Und da herum auch noch. Ich bandagiere sie immer, und manchmal, bei schlechtem Wetter, tut es weh …“
    „Gurn!“, brüllte Duncan plötzlich.
    Jane sprang auf. War das ein Warnruf? Bedeutete es Gefahr? Sollten sie losrennen?
    Aber stattdessen schnitten die drei Männer mit einem Mal Grimassen. Verzerrte, verrückte, groteske Fratzen. Mit großen Augen trank sie von ihrem Bier. Schließlich erstarrten die drei hässlichen Gesichter. Dann deuteten Duncan und Henry auf Geoffrey, und alle lachten, während Henry die Hand hob, um die Schankmagd herbeizuwinken.
    Jane fühlte sich, als wäre sie wieder fünf Jahre alt und beobachtete die furchterregenden Tiere in der Menagerie des Towers, deren wildes Benehmen sie sich nicht erklären konnte. „Was war das denn?“
    „Gurning“, antworteten die drei im Chor.
    „Und was ist das?“
    Die drei Männer starrten sie an, als wäre sie aus einer anderen Welt.
    „Gesichter schneiden.“
    „Je schlimmer, desto besser.“
    „Die schlimmste Fratze bezahlt die nächste Runde.“
    „Aha.“ Sie nickte, als würde das, was sie sagten, einen Sinn ergeben. Von Männern erwartete sie Ernsthaftigkeit und nicht solche Torheiten.
    „Obwohl“, bemerkte Henry, „jetzt, da Duncan Prinzipal ist, ist er zu würdevoll, um noch zu gewinnen.“
    „Vielleicht will er auch nur nicht bezahlen“, fügte Geoffrey hinzu, während er der Schankmagd eine Münze reichte.
    Duncan schenkte Jane ein nachsichtiges Lächeln. „Machen sie das dort, wo du herkommst, nicht?“
    Sie schüttelte den Kopf. Frauen schnitten niemals aus Spaß hässliche Grimassen.
    Ein Mädchen hatte hübsch zu sein und nett. Sie musste lächeln, ganz gleich, wie ihr zumute war. Gefühle teilte man mit anderen Frauen, aber in Gegenwart eines Mannes war eine Frau immer freundlich und vergnügt.
    Wie es schien, galten unter Männern andere Regeln.
    Sie vermutete, dass Duncan das Spiel nur vorgeschlagen hatte, um sie daran zu hindern, mehr über ihre Verletzung zu erzählen. Anscheinend war es in der Welt der Männer akzeptabel, hässliche Gesichter zu schneiden, aber nicht akzeptabel, etwas Schmerzliches und Persönliches miteinander zu teilen.
    Entschlossen hieb Jane mit dem Krug auf den Tisch. „Gurn!“
    Sie zog die Backen ein, schielte und reckte die Ellbogen wie eine Vogelscheuche. Dann schaute sie, was die anderen taten.
    Henry und Geoffrey deuteten auf sie. Sie musste grinsen.
    Duncan jedoch schüttelte den Kopf. „Er schummelt!“, sagte er.

Weitere Kostenlose Bücher