Historical Band 298
kalte Feierstelle. „Es war keine Nacht, auf die wir stolz sein können.“
Henry und Geoffrey betraten den Raum. Man sah ihnen an, dass es ihnen nicht gut ging. Duncans Schultern entspannten sich. Die Männer lachten reumütig über ihre Brummschädel und ihre rebellierenden Mägen.
Geoffrey warf Jane einen Blick zu. „Eine raue Nacht, was, Bursche?“
Sie nickte.
„Little John ist beunruhigt wegen des Mädchens“, sagte Duncan.
Jane runzelte die Brauen. Das war kein Thema, das sie mit den anderen besprechen wollte.
„Frauen sind nicht wie wir, John“, sagte Henry todernst.
Sie war gerade dabei, die Wahrheit dieser Worte zu erfahren.
„Das wirst du verstehen, wenn du älter bist und mehr Erfahrung mit ihnen gesammelt hast“, fügte Geoffrey mit der Überlegenheit des zukünftigen Ehemanns hinzu.
Henry knuffte seinen Freund in die Schulter. „Nein, das wird er nicht. Keiner versteht die Frauen.“
Jane sah Duncan an, aber der blieb stumm und runzelte nur leicht die Stirn.
„Was ist an den Frauen denn so schwer zu verstehen?“, fragte sie. Auch in solchen Momenten, wenn sie auf ihre Geschlechtsgenossinnen nur heruntersehen konnte, war sie der Meinung, dass sie unglaublich leicht zu durchschauen waren.
„Alles!“, sagte Henry.
Duncan schüttelte den Kopf. „Nicht für einen weisen Mann.“
„Aber Henry hat versucht, dieses Mädchen zu küssen, sogar noch, als sie protestierte.“ Bei diesen Worten sah sie Duncan an und erwartete, dass er für all die Fehler der letzten Nacht geradestand.
Stattdessen sprach Henry. „Wenn ich sie geküsst hätte, hätte es ihr bestimmt gefallen!“, schwor er und zog wieder ihren Blick auf sich.
Sie sah ihn unverwandt an, und er bekam langsam rote Ohren. „Das alles hatte nichts zu bedeuten.“
„Nicht für dich.“ Sie wusste genug über Frauen, um zu erkennen, dass das Mädchen ihm am liebsten eins auf die Ohren gegeben hätte – oder in Tränen ausgebrochen wäre.
Oder beides.
Geoffrey ergriff ruhig und im gelehrten Tonfall die Verteidigung. „Aber sie ist eine Hure. Sie hat bei vielen Männern gelegen.“
Eine Hure. Auch ihre Mutter hatten sie so genannt. Und Schlimmeres. „Aber sie sagte Nein.“
„Manchmal sagt eine Frau Nein, wenn sie nur überzeugt werden will“, antwortete Henry.
„Woher wusstet Ihr denn, was sie dachte?“ Jane wusste es. Diese Frau auf der Straße hatte nicht überzeugt werden wollen.
„John, wenn du die alten Texte liest, wirst du verstehen, was Henry meint“, begann Duncan mit seiner typischen Lehrerstimme. „Eine Frau ist schwach und unvollkommen, aber das hat die Natur so gewollt. Der Mann muss über sie bestimmen, denn er denkt rational. Frauen denken nicht, weißt du. Sie fühlen.“
„Und keiner weiß, was eine Frau fühlt!“, sagte Henry und rief damit ein allgemeines Gelächter hervor.
Jane lachte nicht. Bekümmert und verwirrt, fühlte sie sich zu sehr als Frau, die sie doch nie hatte sein wollen.
Sie hatte die Männer bewundert, hatte so sein wollen wie sie. Doch jetzt entdeckte sie, dass deren Weisheit Lücken aufwies, die sie sich nie hätte vorstellen können, solange sie mit dem Gatten ihrer Schwester im selben Haus gewohnt hatte.
Sicher verborgen vor den Blicken der Frauen waren Männer plötzlich völlig andere Wesen. Was geschah nach der Hochzeit, wenn Mann und Frau zu einem gemeinsamen Leben gezwungen waren? Es musste eine wahre Offenbarung sein. Der edle Ritter, der beim Essen rülpste. Die schöne Maid, die während ihrer monatlichen Regel gereizt und unbeherrscht war. Wie anders könnte die Welt aussehen, wenn Männer und Frauen einander wirklich kennen würden.
„Wenn du älter bist, wirst du es schon noch sehen, Little John“, sagte Henry. „Frauen sind triebhafter als Männer.“
„Glaubt Ihr das?“, fragte sie Duncan. Als er nichts darauf antwortete, stupste sie ihn an.
„Das ist keine Ansichtssache“, erklärte er, gerade so, als würde er einen förmlichen Disput eröffnen. „Aquinas, Hippokrates und viele andere Geistesgrößen haben darüber geschrieben. Frauen wurden dazu geschaffen, von Männern beschützt zu werden. Sie sind mindere Kreaturen und haben nicht genug Verstand, um intellektuelle Dinge zu begreifen.“
Jane kaute auf ihrer Unterlippe und runzelte die Stirn, als würde sie über seine Worte nachdenken. Innerlich erstickte sie daran. Die Kirche, die Universität, sie alle sagten solche Dinge, die auf sie einfach nicht zutrafen. Vielleicht war sie
Weitere Kostenlose Bücher