Historical Band 298
Männern seines Rats und des House of Lords. Seinetwegen war sie heute hier. Und ganz gleich, was es kostete, sie würde nahe genug an ihn herankommen, dass er sie sah.
Nahe genug, um mit ihm zu sprechen.
Was sie wohl empfinden würde, wenn sie ihm begegnete, ihrem königlichen Verwandten? Würde er die Blutsbande erkennen? Würde er sein eigenes blondes Haar in ihrem wiedererkennen?
Wäre sie als Junge anstatt als armes, schwaches Mädchen geboren, wäre sie längst bei Hofe, würde vielleicht sogar neben König Richard reiten. Männliche Bastarde von Königen wurden oft anerkannt und in ihrem Rang bestätigt. Sie wurden Krieger, Bischöfe, Gesandte.
Manchmal verheiratete man die unehelichen Töchter, um Bündnisse zu festigen. Weder ihr noch ihrer Schwester war eine solche Verbindung angeboten worden. Aber kaum eine der königlichen Mätressen war auch so verhasst gewesen wie ihre Mutter.
Der König stieg die Treppe zu einem hölzernen Podest hinauf, um oben auf einem provisorischen Thron Platz zu nehmen.
Sie suchte in seinem Gesicht nach Ähnlichkeit mit dem ihren.
Oh ja, er war blond und blauäugig, das konnte sie sogar aus dieser Entfernung sehen.
Aber es war mehr als der Bart auf seinen Wangen, was sein Gesicht von dem ihren unterschied. Sein Mund, süß wie eine Rosenblüte, sah mädchenhafter aus als ihr eigener. Und sein Kinn war weich gerundet, während ihres eher kantig war.
Sie seufzte. Wahrscheinlich war es besser, wenn sie sich nicht besonders ähnlich sahen. So gab es weniger Verbindungen zwischen Jane, Tochter eines toten Königs, und John, dem eifrigen jungen Studenten.
Der König ließ sich in seinem Sessel nieder. Jane wartete geduldig den Aufmarsch der Metzger-, Bäcker- und Kerzenziehergilden ab.
Der Blick des Königs ging über die roten, blauen und grünen Banner hinweg, als würde er sie überhaupt nicht sehen. Es musste wohl so sein, wie ihre Mutter es ihr immer erzählt hatte: Der König war derjenige, der über allen Menschen stand. Der Mann, der die Macht hatte zu tun, was ihm beliebte, und dem jeder Wunsch erfüllt wurde.
Der Aufmarsch war zu Ende. Jetzt begann das Bühnenspiel.
Ihre Beine schmerzten vom stundenlangen Stehen, aber niemand um sie herum rührte sich. Zu Ehren des Königs erzählte das Stück von Salomons Weisheit. Eine passende Geschichte für eine Universitätsstadt. Am Schluss wurde König Richards Weisheit der von Salomon gleichgestellt.
Zum ersten Mal lächelte der König.
Ihre Familie würde dem Vergleich bestimmt nicht so einfach zustimmen. Doch ob weise oder töricht, dieser Mann konnte ihr die Möglichkeit verschaffen, die Welt zu sehen und wichtige Dinge zu tun.
Deswegen stand sie, als das Schauspiel endete, immer noch da, trotz ihrer brennenden Füße. Sie musste dicht dabei sein, wenn er wieder hier vorbeikam.
Duncan erstarrte, als der König sich zusammen mit dem Kanzler und dem Bischof näherte. Es gehörte zur königlichen Pflicht, das Kollegium zu begrüßen, auch wenn ein König sich nicht dazu herablassen würde, zu einem seiner Mitglieder zu sprechen.
Duncan stand am Ende der Reihe. Der Schweiß lief ihm über die müden Muskeln. Ohne bei irgendeinem länger zu verweilen, glitt der Blick des Königs über die schwarz gekleidete Schar. Doch an ihm blieb der Blick schließlich hängen.
Duncan nickte dem König zu.
Der König ging an einem Dutzend Master vorbei, denen der Mund vor Erstaunen offen stand. „Duncan of Cliff’s Tower?“
Er verbeugte sich so tief, wie sein Stolz es erlaubte. „Eure Majestät.“ Ehrerbietung vor einem jüngeren und unerfahrenen Mann zu zeigen war nicht Duncans Art, selbst wenn dieser Mann der König war.
„Als ich Euch das letzte Mal sah, wart Ihr ein bärtiger Barbar. Jetzt seid ihr ein gelehrter Master.“
Der Kanzler neben dem König lächelte. Aber Duncan bemerkte, dass er es mit zusammengebissenen Zähnen tat. „Es wird Master Duncans erstes Jahr an der Universität sein. Er hat eine Herberge für Studenten aus den nördlichen Grafschaften eröffnet.“
Der König nickte. „Ihr seid ein erstaunlicher Mann, Master Duncan.“
Duncan neigte den Kopf und war froh, als der Kanzler weiterging, um mit den Ratsmitgliedern zu sprechen. „Leider sind nicht alle meine Überraschungen erfreulich.“ Jetzt war es so weit. Er musste die Gelegenheit beim Schopf greifen. „Seit der Ratssitzung weiß ich, dass mein Vater von den Schotten gefangen genommen wurde. Sie verlangen Lösegeld.“
Richards Mund
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