Historical Band 298
Mädchen. Aber andere schon.“
Falls die Männer erfuhren, dass sie eine Frau war, würden sie – betrogen, wie sie sich fühlten – vielleicht eine grausamere Bestrafung wählen. Sie würden annehmen, dass Jane die ganze Zeit über Duncans Geliebte gewesen war und nun allen zur Verfügung stand.
Nur seine starken Arme würden das Mädchen schützen können.
Sie lächelte zaghaft. „Dann darf man mich eben nicht entdecken.“ Duncan sah den zufriedenen Zug um ihren Mund und verstand, dass er schwer von Begriff gewesen war.
Sie beabsichtigte zu bleiben.
St. Mary’s läutete die Mittagsstunde. Schon längst hätte er sich mit Pickering im Priorat treffen müssen. Bestimmt hämmerte bald jemand an der Tür, um ihm zu sagen, dass es an Pergament fehlte oder das Feuerholz aufgefüllt werden musste. „Vorläufig machen wir so weiter wie bisher.“ Er redete sich ein, dass er aus Vernunftgründen so entschied und nicht, weil er Jane in seiner Nähe haben wollte. „Jedenfalls so lange, bis ich alles in Ordnung gebracht habe.“
Sie beugte sich vor und wollte seine Hand küssen. Aus Angst vor der Berührung riss er die Hand zurück. „Du kannst die anderen nicht für immer zum Narren halten.“
„Ich werde vorsichtiger sein.“
Er schüttelte den Kopf. Das Urteil war nur aufgeschoben. Bestimmt waren nicht alle so blind.
Aber er war es immerhin gewesen.
„Nichts darf sich ändern. Widme dich weiterhin deinem Studium. Und bleib in meiner Nähe.“
Sie lächelte.
Ihm wurde bewusst, wie nah sie doch einander waren. Duncan und John. John und Duncan. Fast wie Brüder. Oder mehr noch.
Er klopfte ihr unbeholfen auf die Schultern. An ihren Wimpern glitzerten verräterische Tränen. Bei seiner Berührung entspannte sie sich und schlang die Arme um ihn.
Instinktiv zog er sie an sich. Und er erkannte, dass er es in irgendeiner Weise die ganze Zeit gewusst hatte. Sie war eine Frau. Und er würde sie mit seinem Leben schützen.
Vorsichtig schob er sie ein wenig von sich, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob ihren Kopf. Noch einmal wollte er sich in diesen Augen verlieren. „Wie soll ich dich nennen?“
Ein zitterndes Lächeln war die Antwort. „Jane. Mein Name ist Jane.“
Aber er konnte sie nicht Jane nennen. Er konnte ihr überhaupt keinen Namen geben.
11. KAPITEL
J a ne lebt also, Gott sei Dank!“ Solay wiegte ihren kleinen Sohn. Das Kind strampelte, trank aber unbeirrt weiter an ihrer Brust.
Obwohl das Wochenbett vorüber war, war sie immer noch schwach, und die Familie hatte darauf bestanden, dass sie noch etwas länger im Bett blieb.
„Zumindest lebte sie letzten Monat noch“, stellte Justin fest. Ein Junge hatte ihnen gestern Nachricht von Jane gebracht – die erste seit fast zwei Monaten. Wie er sagte, hatte man sie ihm am Fest des heiligen Dennis gegeben. Das war Wochen her. Justin fragte sich, wieso der Junge so lange gewartet hatte.
Aber auch er war erleichtert über die Botschaft. Sie beruhigte sein Gewissen ein wenig. „Ich hätte nie versuchen sollen, eine Ehe für sie zu arrangieren.“
„Du hättest sie nie dazu gezwungen.“ Solay griff nach seiner Hand. Sie kannte seine Gründe. Gründe, die niemand sonst je erfahren würde. „Du sagtest ihr doch, dass die Entscheidung bei ihr liegen würde.“
Aber Jane hatte gar nicht so lange gewartet. Der Kaufmann war angereist, nur um festzustellen, das seine zukünftige Braut vermisst wurde. Nach einem herzhaften Mahl und mit einem Fass Wein als Entschädigung für seine Bemühungen war er zufrieden wieder abgereist.
Der kleine William Edward begann zu quengeln, weil seine Mahlzeit unterbrochen wurde. Solay legte ihn an die andere Brust, und er saugte glücklich weiter.
Der Anblick seines gesunden Sohns ließ Justin seinen Schmerz vergessen. Fast hätte er beide verloren, sein Kind und Solay. „Sie muss doch gewusst haben, dass ich weiter für sie sorgen würde, auch wenn sie den Bewerber ablehnt.“
Solay schüttelte den Kopf. „Jane hat kein großes Vertrauen zu Männern.“
Was ihn nicht überraschte. Kein Mann in ihrem Leben hatte sich die Mühe gemacht, sich um sie zu kümmern. Weder der König, den sie für ihren Vater hielt, noch der Mann, der es in Wirklichkeit war.
„Vielleicht hätten wir Jane die Wahrheit sagen sollen“, meinte Justin. „Für eure Mutter bedeutete das königliche Blut ein Geschenk an euch, so wie du und Jane ihr Geschenk an den König wart. Aber was spielt das jetzt noch für eine
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