Historical Band 303
noch länger darüber nachdenken konnte, stand sein Bruder vor ihm. Hochgewachsen, mit dunklem Haar und dunklem Bart war er jetzt das Ebenbild ihres Vaters.
Er starrte ihn an, als könnte er nicht glauben, was er sah. „Mein Gott, du lebst“, keuchte er und riss ihn in seine Arme.
Bram umarmte seinen Bruder genauso stürmisch. Er wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Aus Angst, die lang unterdrückten Gefühle könnten hervorbrechen, brachte er noch nicht einmal ein Wort der Begrüßung heraus. Alex als erwachsenen Mann vor sich zu sehen machte ihm bewusst, wie viele Jahre er verloren hatte.
„Du bist größer, als ich dich in Erinnerung habe“, brachte er endlich hervor.
Alex trat zurück und grinste. „Und du hast dir einen Bart wachsen lassen, damit du mit deinem Gesicht nicht mehr die Leute erschreckst, was?“
„Ich sehe immer noch besser aus als du“, erwiderte er mit breitem Feixen. Eine unendliche Dankbarkeit stieg in ihm auf. Auch wenn Callum nicht hier war, waren ihm zwei Brüder doch geblieben.
„Was ist mit dir geschehen, Bram?“, fragte Alex.
„Lord Cairnross.“ Er vermied es, Alex anzusehen, aber er aus dem Augenwinkel sah er dessen verständnisvollen Blick. „Callum ist immer noch sein Gefangener.“
Alex fluchte. „Bram …“, er sah ihn schuldbewusst an. „Sie sagten, ihr wärt beide tot. Ich schwöre dir, wenn ich gewusst hätte …“
„Du warst vierzehn, als sie uns schnappten“, erinnerte Bram ihn. „Du hast geglaubt, was sie erzählten.“
Sein Bruder nickte nur mit versteinerter Miene. „Trotzdem war es nicht richtig.“ Nach einer bedrückenden Pause fügte er hinzu: „Nach Vaters Tod wurde unser Onkel Anführer des Clans.“ Er sah Bram an, als versuchte er, sich zu entschuldigen. „Und als dann Donell vor zwei Jahren starb, nahm ich seinen Platz ein. Aber ich weiß, dass unser Vater dich zum Oberhaupt bestimmt hatte.“
Das Letzte, was Bram sich wünschte, war die Herrschaft über den Clan. Er schüttelte den Kopf. „Der Titel gehört dir, Alex. Ich will ihn nicht.“ Weder den Titel noch die Verantwortung. Ob man es nun von ihm erwartete oder nicht, er hatte nicht vor, seinem Bruder das Amt des Anführers zu nehmen.
Alex schien nicht überzeugt. „Später ist noch Zeit genug, darüber zu entscheiden.“ Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Nairna, und Bram merkte, dass er sie seinem Bruder noch nicht vorgestellt hatte.
Er ging zu ihr und nahm sie bei den Schultern. „Du erinnerst dich doch an Nairna, meine Frau.“
Sie neigte grüßend den Kopf. „Alex. Es ist lange her.“
Um Alex’ Mund spielte ein kleines Lächeln. „Ja, da hast du recht“, meinte er. „Es überrascht mich nicht, dass Bram dich mitbringt. Du warst schon immer ein hübsches Mädchen.“
Das Kompliment war nett gemeint, aber es weckte Brams Eifersucht. Er mochte es nicht, wenn man Nairna in Verlegenheit brachte. Unwillkürlich zog er sie enger an sich.
Alex schien seine Gedanken zu lesen. „Keine Angst, Bruder“, beruhigte er ihn. „Laren ist meine Frau, und ich habe schon eigene Töchter.“
Eigene Töchter? Es fiel Bram schwer genug, sich vorzustellen, dass sein Bruder eine Frau hatte. Und dann auch noch Kinder! Es sah aus, als hätte Alex das Leben gelebt, das Bram sich gewünscht hatte. Wieder stellte er entsetzt fest, wie die Zeit vergangen war.
„Ich würde deine Frau und deine Kinder gerne kennen lernen“, sagte Nairna. „Sind sie drinnen?“
Alex zuckte die Achseln. „Möglich. Vielleicht spaziert Laren auch draußen herum. Wenn du willst, geh sie ruhig suchen.“
Nairna ging, und als sie fort war, machte Alex seinem Bruder ein Zeichen, mit ihm zu kommen. Sie gingen die Burgmauer entlang. Eine ganze Zeit lang sprach keiner von ihnen ein Wort.
Die vertrauten Mauern, auch wenn sie verfallen und zerbrochen waren, strahlten etwas beruhigend Friedliches aus. „Ich erinnere mich, wie wir als Jungen da hinaufkletterten“, sagte Bram.
„Du bist immer oben über die Mauer gerannt.“ Alex grinste ihn verschmitzt an. „Und hast mich dazu angestachelt.“
„Du hattest aber zu viel Angst.“
„Stimmt nicht, ich war nur nicht so verrückt wie du“, entgegnete Alex. „Dann hast du das Gleichgewicht verloren und bist in Ross MacKinlochs Schweinepferch gefallen.“
Das hatte er fast vergessen. „Und du hast nicht im Traum daran gedacht, mir zu helfen. Hast nur da gesessen und hast mich ausgelacht, während ich im Dreck
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