Historical Band 303
keine Kontrolle über die Visionen, die ihn quälten.
Die Begegnung mit den englischen Soldaten hatte eine Dunkelheit heraufbeschworen, der er sich nicht stellen wollte. Der Anblick ihrer Rüstungen, ihre Drohungen gegen Nairna hatten ihm die vergangenen Jahre wieder zurückgebracht. Die Männer unterschieden sich in nichts von den zahllosen Soldaten, denen er schon früher begegnet war. Aber ihr Anblick wirkte wie Öl auf die Flammen seiner Erinnerungen.
Und deswegen hatte er seine unschuldige Frau verletzt, die er doch beschützen wollte. Es gab nicht genug Worte der Entschuldigung für das, was er getan hat. Und trotzdem würde sie nicht verstehen können, was passiert war.
Die jahrelange Folter hatte ihn verändert. Er schlief nicht mehr wie ein normaler Mensch, sondern blieb stundenlang wach, bis die Erschöpfung ihn ohne Vorwarnung überwältigte. Nie konnte er nachts schlafen oder zu einem Zeitpunkt, da er sich nach Ruhe sehnte.
In einem Augenblick stand er noch aufrecht da und im nächsten konnte er sich nicht mehr daran erinnern, wie viel Zeit vergangen oder was mit ihm geschehen war. Mehr als einmal war ihm das beim Aufschichten dieser verdammten Steinmauern passiert. Der Schmerz der Peitschenhiebe hatte ihn immer wieder geweckt. Hiebe, die erst aufhörten, wenn er wieder seine Arbeit tat.
Du bist nicht mehr dort. Das alles ist Vergangenheit.
Aber Callum war noch dort. Und niemand schützte seinen Bruder vor den Misshandlungen der Engländer.
Er stieg vom Wagen, nahm dem Pferd das Geschirr ab und führte es zum Wasser. Seine Frau blieb, wo sie war, aber Bram entging nicht die Angst in ihrem Blick. Das ließ seinen Selbsthass noch größer werden.
Während das Pferd trank, starrte er ins Wasser und verfluchte sich für das, was er getan hatte. Er musste etwas zu ihr sagen. Oder besser, etwas tun, um sich zu entschuldigen. Worte waren nicht genug.
Das leise Rascheln ihrer Röcke, die über das Gras streiften, verriet ihm, dass sie hinter ihn getreten war. „Alles in Ordnung, Bram?“
Er nickte. „Tut dein Handgelenk noch weh?“
„Ein wenig.“ Er hörte ihrer Stimme an, wie besorgt sie war.
Vorsichtig griff er nach ihrer Hand und streichelte sie sanft. Er war so wütend auf sich.
„Es ist schon gut“, sagte sie ruhig. In ihren grünen Augen las er, dass sie sich wegen eines Augenblicks der Dunkelheit nicht von ihm abwenden würde. Ihre beruhigenden Worte waren eine stumme Vergebung, die er nie erwartet hätte.
Er betrachtete ihr Handgelenk. Dann ergriff er den Saum seiner Tunika und riss ein langes schmales Stück davon ab.
„Was machst du da?“
Bram nahm ihr Handgelenk und wickelte das Stück Stoff als Bandage darum. Seine Hände zitterten, aber er wickelte weiter, bis ein fester Verband die Verletzung bedeckte. Es sah nicht sehr fachmännisch aus, aber Nairna verkniff sich jede Kritik. Das war sein Versuch, das Geschehene wiedergutzumachen. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Sie wusste, dass er ihr niemals hatte wehtun wollen.
„Du musst das nicht machen“, murmelte sie. Er wollte nach ihrem anderen Handgelenk greifen, aber sie hinderte ihn daran. „Ich weiß, dass dir nicht bewusst war, was du gemacht hast. Ich hätte deine Narbe nicht berühren dürfen.“
Er hielt lange ihre Hand und starrte auf den Verband, als suchte er nach den richtigen Worten. „Ich habe die Beherrschung verloren. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal geschlafen habe. Und seit Jahren habe ich nicht richtig gegessen.“
Als sie ihm übers Gesicht streichen wollte, sah er auf und blickte sie an. Dann umklammerte er ihre Hand, als suchte er bei ihr Halt.
Sein Griff wärmte ihre Haut. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn eingehend betrachtete. Es gab Wunden, die sie nicht sehen konnte und die tiefer gingen als alle körperlichen Wunden. Sie wusste, dass sein Körper und seine Seele durch die Gefangenschaft verletzt worden waren, aber hinter alledem sah sie einen Mann, der gerettet werden musste.
Bram ging Brennholz sammeln, und sie begleitete ihn, um Zunder zu suchen. Keiner sprach ein Wort, bis es ihnen gelungen war, ein Feuer zu entzünden.
Sie suchte im Karren nach dem Proviant und brachte Bram etwas zu essen. Er versuchte, ein Fladenbrot zu sich zu nehmen. Aber er brachte nur ein oder zwei Bissen hinunter, dann legte er es beiseite.
„Wie willst du denn wieder zu Kräften kommen, wenn du nichts isst?“, fragte sie und betrachtete die Essensreste.
Er schüttelte den Kopf. „Es
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