Historical Band 303
Amme hier zu sehen, hatte sie wirklich nicht erwartet. Aye, Bram hatte gesagt, er würde nach ihr schicken, aber so ganz hatte sie es ihm nicht geglaubt. Doch er hatte Wort gehalten, und ihr ein Geschenk gemacht, das ihr alles bedeutete.
Die alte Frau tätschelte Nairna die Schulter. „Na, na, keine Tränen, Nairna.“
Sie ließ sie los. Ihre Amme verzog das faltige Gesicht zu einem Lächeln. „Nach so einer Reise brauchen meine alten Knochen ein wenig Ruhe.“
„Komm herein.“ Von Nairna gestützt ging Agnes in die Burg.
Beim Anblick der verwahrlosten Halle kniff die alte Frau die Augen zusammen. „Wie ich sehe, wartet Arbeit auf uns, nicht wahr?“
„Nicht auf dich“, berichtigte Nairna sie. „Ruh dich aus und iss und trink etwas.“ Sie bedeutete Marguerite mit einer Kopfbewegung, ihr zu folgen. „Bevor wir irgendetwas unternehmen, müssen wir erst einmal Alex’ Gattin, Lady Laren, finden. Wisst Ihr, wo sie ist?“
„Oui, sie ging mit ihren Töchtern zum See. Schon früh am Morgen.“
Wie sie es vermutet hatte. Aber Laren hatte die Burg lange genug gemieden.
Heute würde sie endgültig herausfinden, welche Geheimnisse die Frau des Clan-Führers vor allen verbarg.
14. KAPITEL
B ram war dabei, eine Tanne zu fällen, und er genoss es, die schwere Axt zu schwingen. Eigentlich verlangte die Arbeit mehr Kraft, als er besaß, aber er ignorierte die Schmerzen und schuftete weiter. Das Haus sollte so bald wie möglich fertig werden, damit er endlich unter einem eigenen Dach mit Nairna leben konnte.
Sieben andere Männer des Clans arbeiteten an seiner Seite. Jetzt, da einige der Frauen und Kinder zurückgekehrt waren, hatte sich ihr Verhalten geändert. Sie schienen zerstreut und ihre Blicke schweiften immer wieder zur Burg unten im Tal.
„Vanora ist also wieder da, was?“, sagte Alex zu Ross. Die beiden Männer bauten an einem Gerüst rund ums Haus. Ross zuckte die Achseln.
„Ist sie. Auch wenn ich nicht weiß, warum. Wäre vielleicht besser gewesen, sie wäre dort geblieben.“
„Wenn sie heute Nacht das Bett mit dir teilt, sagst du das bestimmt nicht mehr“, warf einer der anderen ein.
Ross’ Gesicht strahlte mit einem Mal. „Aye. Sie ist zwar ein scharfzüngiges Weib, aber sie weiß ihre Zunge auf die richtige Weise einzusetzen.“
Bram stimmte nicht in das brüllende Gelächter der anderen ein. Das Gespräch wurde derber, und beim Aufrichten der Stützbalken prahlten die Männer mit der Länge ihrer Männlichkeit.
„Ich weiß doch, dass du das Eheleben genießt, mein Junge, oder?“, lachte Ross und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du hoffst, dass wir noch heute mit dem Haus fertig werden, damit du mit deiner Frau allein sein kannst, was?“
„Ich möchte nicht, dass sie noch länger in der Scheune schläft. Und ja, ich hätte es gerne heute noch fertig.“
„Die Wände zumindest werden stehen“, sagte Alex. „Das kann ich dir versprechen, Bruder.“
„Und wenn Nairna dann kommt, wird Bram den Rest schon allein hochkriegen.“ Ross rang vor Lachen nach Luft, aber Bram konnte über seine wüsten Späße noch nicht einmal lächeln.
Er ging wieder zu den Tannenbäumen, die er geschlagen hatte und fing an, die kleineren Äste zu entfernen. Ihre Frotzeleien waren nicht böse gemeint, aber sie erinnerten ihn daran, wie sehr er in der Nacht die Beherrschung verloren hatte. Rücksichtslos hatte er sich Nairnas bemächtigt, ohne dabei an ihre Gefühle zu denken. Zwar hatte er ihr nicht wehgetan, aber genossen hatte sie es nicht gerade.
Das raue Holz trieb ihm Splitter in die Hände. Er beobachtete, wie in einiger Entfernung eine Frau ihrem Mann Wasser brachte. Es lief ihm übers Kinn, während er trank. Dann bedankte er sich bei ihr mit einem Kuss.
Die beiden erinnerten ihn an Nairna und ihn vor sieben Jahren. Und als der Mann sich bückte, seinen kleinen Sohn hochhob und ihm die Haare zauste, fragte sich Bram, ob er und Nairna wohl jemals Kinder haben würden. Er empfand eine so wilde Sehnsucht danach, dass er sich rasch umdrehte. Niemand sollte seinen Neid bemerken. Wenn dieses Leben für ihn Wirklichkeit werden sollte, dann gab es nur einen Weg: Er musste seine Gedanken und seine Wünsche unter absoluter Kontrolle halten, damit er nie wieder die Beherrschung verlor.
Nur dann würde Nairna einen Mann wie ihn haben wollen.
Die Sonne ging fast schon unter, als Nairna und Marguerite das Ufer des Sees erreichten. Vögel segelten über ihren Köpfen und stießen auf der
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