Historical Band 303
dir helfen, Bruder“, flehte Bram und trat einen Schritt auf ihn zu. Vielleicht würde Callum ihn in seiner Nähe dulden. Aber kaum griff er nach Callums Tunika, verzog sein Mund sich zu einer gefährlichen Fratze. Wie ein in die Ecke getriebenes Tier ließ er niemanden an sich heran.
Als Bram ihn trotzdem anfassen wollte, hieb Callum ihm die Faust aufs Auge. Der Schlag ließ den Schmerz in Brams Kopf explodieren. Wütend wich er zurück.
„Verdammt, Callum, warum lässt du dir nicht helfen? Ich weiß, du bist verletzt. Ich sehe das Blut doch.“
Aber sein Bruder weigerte sich zu sprechen. Bram setzte sich auf die Bank und senkte den Kopf. Seine Hände zitterten.
Da öffnete sich leise die Tür und Nairna trat ein. „Hat er etwas gegessen?“
„Sehr wenig.“ Bram fing den besorgten Blick seiner Frau auf und kam zu ihr. „Ich will ihn nicht erschrecken, aber wir müssen doch seine Wunden behandeln, bevor sie noch schlimmer werden.“
„Erlaubst du, dass ich dir helfe?“, fragte Nairna.
Bram nickte ergeben. Er hatte getan, was er konnte. Vielleicht gelang es Nairna, zu Callum durchzudringen.
„Warte hier“, bat seine Frau. „Ich bin gleich zurück.“
Callum starrte die Wand an. Bram stellte ihm einen Becher Met hin, doch er rührte ihn nicht an.
Als die Tür sich wieder öffnete, trat Nairna mit Marguerite ein. Bram verstand nicht, warum, aber kaum sah Callum die Französin, ging eine Veränderung mit ihm vor. Er sagte zwar nichts, aber jetzt sah er sie an, statt ins Leere zu blicken.
„Lass Marguerite es versuchen“, sagte Nairna. „Sie kennt ihn.“
So, wie das Mädchen sich Callum näherte, schienen sie einander vertraut zu sein.
Marguerite trug ein saphirblaues Seidengewand mit grauem Pelzbesatz. Das von einem Schleier bedeckte Haar fiel ihr offen über die Schultern. Callum betrachtete sie, als würde er träumen. Bram fühlte, wie Nairna seine Hand ergriff.
„Wir warten hinter der Tür, falls Ihr uns braucht“, sagte sie. Dann führte sie Bram aus der Kammer und schloss die Tür bis auf einen kleinen Spalt.
„Woher kennen sich die beiden?“, flüsterte Bram und spähte durch den Türspalt.
„Er wurde geschlagen, nachdem du fort warst“, antwortete Nairna. „Marguerite fand ihn und versorgte seine Wunden. Am nächsten Morgen brachte man ihn dann fort.“ Sie trat zu ihm und legte den Kopf an seine Brust. So wachten sie beide über das Paar in der Kammer. „Er erlaubte ihr damals, ihm zu helfen. Vielleicht tut er es jetzt wieder.“
Marguerite setzte sich Callum gegenüber und sprach in sanftem Ton zu ihm. Im flackernden Licht einer Fackel sah Bram, wie der Frau eine Träne über das Gesicht lief. Sie hörte nicht auf, zu ihm zu sprechen, dabei sprach sie in ihrer Muttersprache Französisch. Nach einiger Zeit wandte Callum ihr den Rücken zu. Immer noch redend, näherte sich ihm Marguerite. Als sie dicht genug bei ihm war, legte sie die Hand auf seine Schulter.
Nairnas Hand schlüpfte unter Brams Tunika. Sanft strichen ihre Finger über seine Narben. Als würde sie Marguerites Bewegungen nachahmen, streichelte sie seine geschundene Haut, das Gesicht an sein Herz gepresst.
Einst war er wie Callum gewesen. Wie schwer war es ihm gefallen, sich der Außenwelt zu stellen, zu akzeptieren, dass er endlich in Sicherheit war. Niemand würde ihn mehr im Dunkeln einsperren, keiner ihn schlagen oder niederstechen.
„Geht es dir gut?“, flüsterte Nairna. „Dein Auge ist geschwollen.“
„Ich bin ihm zu nahe getreten“, war alles, was er sagte. Beide beobachteten sie, wie sein Bruder Marguerite endlich erlaubte, ihm die blutbefleckte Tunika auszuziehen. Als sie den Stoff von seiner Haut löste, stieß er zischend die Luft aus.
Nairna schloss Bram fest in die Arme, während Marguerite Callums Rücken enthüllt hatte. Bram atmete den Duft von Nairnas Haaren ein und presste sie an sich, als das jahrelange Leiden seines Bruders für ihn sichtbar wurde. Beim Anblick von Callums rohem, entzündetem Fleisch drehte sich ihm der Magen um.
Marguerite war blass geworden, aber sie sagte kein Wort. Sie tauchte nur ein Tuch in das inzwischen abgekühlte Badewasser und berührte vorsichtig damit Callums Gesicht. Dann machte sie es wieder nass, wrang es leicht aus und legte das kühlende Tuch auf seinen Rücken.
„Sie macht das sehr gut“, flüsterte Nairna und löste sich aus Brams Umarmung. „Wir sollten die beiden allein lassen.“
„Sie ist ein Mädchen“, widersprach Bram. „Es
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