Historical Collection 04
„Wir haben keinen ganzen Tag mehr für die Ernte, darum müssen wir heute bis in die Dunkelheit arbeiten. Wir haben keine Wahl, was bleibt uns anderes übrig?“ Ihre Stimme klang verzagt, sie sah aus, als müsste sie gegen Sorgen und Zweifel ankämpfen. Sie waren so nah daran gewesen, Gevatter Frost zu besiegen.
Ein seltsames, ganz neuartiges Gefühl erwachte tief in Killians Innerem: die plötzliche Erkenntnis, dass dies seine Leute waren, seine Frau . Wenn diese Menschen wollten – wenn sie wollte –, dass die Ernte heute noch eingebracht wurde, dann würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um es zu bewerkstelligen.
8. KAPITEL
D ie Arbeiter waren müde. Wenn es dunkel wurde, würden die Frauen und Kinder nach Hause gehen, denn die Kinder mussten essen und zu Bett gebracht werden. Wenn die Anzahl der Pflücker verringert war, mussten die verbliebenen Männer dann noch länger arbeiten. Aber Killian wusste, was zu tun war. „Ich kümmere mich darum“, sagte er. „Mrs Hemburton soll uns Fackeln bringen.“ Er hielt einen der größeren Jungen im Vorbeigehen an der Schulter fest. „Kannst du einen Einspänner fahren?“
„Ja, Mylord.“ Der Vierzehnjährige hob den Kopf mit dem Stolz eines Heranwachsenden. Für sein Alter war er groß, und Killian vertraute darauf, dass er wirklich mit einem Gefährt umzugehen wusste. „Gut. Dann wünsche ich, dass du den Wagen nimmst und nach Pembridge Hall fährst. Dort verlangst du Lord Dursley zu sprechen und richtest ihm aus, dass wir Hilfe brauchen, um die Ernte heute noch einzubringen. Er kümmert sich um den Rest. Aber sage ihm, er möge sich beeilen.“
Der Junge rannte los, und Rose begann zu protestieren: „Wir schaffen es bestimmt auch allein. Wir brauchen eure Hilfe nicht.“ Sie war halsstarrig und stolz. Killian erkannte in ihr das typische Ehrgefühl der Landbevölkerung.
„Ich weiß, du kannst es allein schaffen. Aber warum es nur gerade so schaffen, wenn man es richtig gut machen kann?“, antwortete er lächelnd. „Sorge dafür, dass die Fackeln bereitgestellt werden, und Mrs Hemburton soll den Schuppen als Lagerraum vorbereiten.“
Drei Stunden später war die Sonne untergegangen, und der Obstgarten sah völlig verändert aus. In regelmäßigen Abständen standen Fackeln und beleuchteten die Szenerie für die Pflücker. An den Seiten des Schuppens standen Tische, auf denen Essenspakete lagen, die man in Deckelkörben von Pembridge Hall gebracht hatte. Ein offenes Feuer flackerte, an dem sich die Korbträger die Hände wärmen konnten, bevor sie mit den ausgeleerten Scheffeln in die Obstgärten zurückkehrten. Die Kinder, die zu müde waren, um die herabgefallenen Äpfel vom Boden aufzulesen, wurden gemütlich und warm in extra dafür hergerichteten Heuhaufen schlafen gelegt.
Killian stand draußen vor dem Schuppen und gratulierte sich innerlich. Die Atmosphäre war fast wie bei einem Fest. Sogar die kleine Falte auf Roses Stirn war inzwischen verschwunden, und sie schien sich keine Sorgen mehr zu machen. Er war ein wenig stolz darauf, dass all das sein Verdienst war.
Peyton trat neben ihn. Auch er hatte die Hemdsärmel aufgerollt, denn er hatte das Entleeren der gefüllten Körbe an der Apfelpresse beaufsichtigt. „Ich habe dir übrigens frische Kleider mitgebracht.“
Killian lachte leise. „Woher wusstest du?“
Peyton sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, der zeigte, dass er natürlich Bescheid wusste. „Es gibt nicht viele Gründe, warum ein Mann nachts nicht nach Hause kommt.“ Er machte eine kurze Pause, und Killian spürte, dass er noch mehr auf dem Herzen hatte. „Ich hoffe, du weißt, was du tust. Dies ist nicht London, und du bist schon eine ganze Weile weg.“
„Rose und ich haben eine Abmachung. Sie weiß, es ist nur eine Affäre, die nicht lange dauern wird.“ Schon beim Aussprechen dieser Worte empfand Killian eine gewisse Leere. Was wollte er anfangen, wenn die Affäre vorbei war? Und was wollte Rose? Wollte sie, dass er abreiste? War er vielleicht für sie nur eine angenehme Abwechslung gewesen?
„Wie auch immer, Killian, die Zeiten sind gefährlich. Es drohen weitere Unruhen. In Kent wurden Landmaschinen zerstört und Heuschober angezündet. Ich gebe dir den guten Rat, die Hoffnungen der Menschen hier nicht zu schüren, damit die Enttäuschung nicht zu groß ist, wenn du fortgehst. Denn das kann schneller kommen, als allen lieb ist. Das Anwesen ist tatsächlich bankrott, aber in deinem Interesse würde
Weitere Kostenlose Bücher