Historical Collection 04
Angst habt.“
Er wagte einen weiteren Blick auf die Wachen, die allmählich ungeduldig wurden. „Falls ich nicht zu dir zurückkehre, nimm den Hengst und verlasse den Palast. Ich habe befohlen, dir eine Eskorte an die Seite zu stellen. Sie wird dafür sorgen, dass du deine Freiheit erlangst.“ Er strich ihr übers Gesicht und sah in ihrer Miene nichts als Sorge um ihn. „Ich hätte dir Smaragde oder Perlen für die gemeinsamen Nächte schenken sollen. Aber ich glaube, was du weit mehr begehrst, ist deine Freiheit.“
„Was meint Ihr damit – falls Ihr nicht zurückkehrt?“, verlangte sie zu wissen. „Euer Vater wird Euch doch nichts antun, oder?“
Khadin legte seine Stirn an die ihre. Er wollte Laila nichts vormachen. „Das weiß ich nicht. Aber dir wird nichts geschehen, dafür habe ich gesorgt.“
Sie hob den Kopf und küsste Khadin, und er umklammerte sie, als wolle er sie nie wieder loslassen. Ihre Lippen auf den seinen zu spüren sandte ihm eine Feuerwelle durch den Leib und rief in ihm all das Wunderbare wach, das sie im Bett geteilt hatten.
„Wenn ich zu dir zurückkehren kann, so werde ich es tun“, schwor er und führte sie hinaus auf den Gang, wo ein Eunuch wartete. „Bring sie zurück in den Harem“, wies Khadin ihn an. Er sah Laila in Richtung der verbotenen Gemächer entschwinden, schaffte es jedoch nicht, ihr Bild zu vertreiben – und wollte es auch gar nicht.
Laila konnte nicht anders, als sich das Schlimmste auszumalen. Seit sie gezwungen worden war, Khadin zu verlassen, waren Stunden vergangen, und sie wusste nicht, ob er überhaupt noch am Leben war. Man hatte ihr im Harem ein eigenes Gemach zugewiesen, aber das kümmerte sie kaum. Nie hatte sie eine Nacht in diesem Palast woanders als in Khadins Bett verbracht. Von ihm getrennt zu sein zerriss ihr schier das Herz, denn inzwischen bedeutete er ihr viel.
Die letzte Nacht war atemberaubend gewesen. Mit jeder körperlichen Vereinigung schienen sie einander näherzukommen, einander inniger verbunden zu sein. Es war, als habe sie Khadin einen Teil von sich geschenkt. Des Nachts in seinen Armen zu schlummern hatte die Leere in ihrem Herzen getilgt und den Kummer über den Verlust ihrer Anverwandten vertrieben. Vielleicht war diese Empfindung allein der fleischlichen Anziehung zwischen ihnen geschuldet, aber Laila wollte glauben, dass da mehr war. Das alles hätte sie nicht so aufwühlen sollen, aber das tat es. Und nun schwebte Khadin womöglich in Lebensgefahr.
Das Pergament, das ihr die Freiheit garantierte, hatte sie dem kızlar ağası ausgehändigt, der versprochen hatte, die Prinzessin von Lailas neuem Stand zu unterrichten. Prinzessin Mihrimah, des Sultans älteste Tochter, hatte nach dem Tod ihres Gemahls die Position der valide sultan eingenommen und stand somit dem Harem und seinen Bewohnerinnen vor. Laila hoffte, dass die Prinzessin Khadins Wünschen entsprechen würde, doch das würde sie erst wissen, wenn sie die Dame kennenlernte.
Sie gesellte sich zu den anderen Frauen im hamam , um ihre verkrampften Muskeln im Wasser zu entspannen. Am liebsten hätte sie sich an der Wand zusammengekauert und gegen die Angst angekämpft, die sie zu überwältigen drohte. Ihr Ansehen unter den anderen hatte sich verändert, wenn auch keineswegs zum Besseren. Die Konkubinen bedachten sie beim Baden mit eifersüchtigen Blicken und tuschelten einander zu, dass eine Beduinin es gar nicht verdiene, von einem Prinzen auserkoren zu werden. Während Laila so im heißen Dampf saß und sich wusch, meinte sie, Khadins liebkosende Hände auf der Haut zu spüren.
Verliere nicht dein Herz an ihn, hielt sie sich vor. Du bist nur eine Frau unter Hunderten.
Doch er hatte Wort gehalten und ihr die Freiheit wie auch den Hengst geschenkt, und das, obwohl das Tier noch nicht gänzlich zutraulich war. Sie hatte das Pferd Amir genannt, weil sie sein fürstliches Wesen in dem Namen gespiegelt sah. Der Hengst war stolz und eigensinnig, und Laila spürte, dass er ihr ans Herz wachsen würde. Gleiches galt für Khadin.
Sie erbebte, als sie sich erinnerte, wie grimmig die kapıcı dreingeschaut hatten – so als würden sie Khadin zu seiner Hinrichtung und nicht zu einer Audienz führen. Allah , beschütze ihn, betete sie.
Laila erhob sich aus dem Wasser, und ein Eunuch eilte herbei und legte ihr ein Leinentuch zum Abtrocknen um. Während sie sich für das Treffen mit Prinzessin Mihrimah ankleidete, zitterten ihr die Hände. Es gefiel ihr nicht, sich
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