Historical Collection 04
zeichnete sich ein deutlicher Schmutzstreifen ab.
Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Furcht. Sie sah nicht länger wie eine ruhige, gefasste Hofdame aus, die unerschütterlich mit kühler Miene durch die Säle von Whitehall schritt. Sie sah sehr jung und verletzlich aus – und wunderschön.
Die Furcht in ihren Augen traf ihn wie ein Pfeil. Sein Gewissen regte sich. Das hatte es seit einer Ewigkeit nicht mehr getan.
Er kümmerte sich jedoch nicht um die Reue, die in ihm aufstieg. Er wappnete sich innerlich gegen sie und diese ganze verfahrene Situation und lehnte sich mit unbewegter Miene an den Türrahmen. Die Arme vor der Brust verschränkt, sah er Elisabeth dabei zu, wie sie langsam aufstand.
Sie schluckte schwer, ihr zarter weißer Hals zitterte, als sie das Kinn hob, um ihn wütend anzusehen. Sie weigerte sich aufzugeben, so sehr sie auch in die Ecke gedrängt war.
Diese Unerschrockenheit machte sie umso schöner.
„Was hat das alles zu bedeuten?“, sagte sie. „Habt Ihr vor, ein Lösegeld für mich zu erpressen? Habt Ihr Spielschulden, die Ihr nicht bezahlen könnt, eine Mätresse, die sich ein neues Spielzeug wünscht, das Ihr Euch nicht leisten könnt?“
So dachte sie also von ihm. Nach allem, was ihm im Leben schon begegnet war, und nach dem, was er um Jamies willen hatte erleiden müssen, hatte Edward geglaubt, nichts könne ihn mehr treffen. Doch die Verachtung in Lady Elisabeths Stimme berührte ihn seltsam.
Sie machte ihn aber auch wütend.
„Ich bin kein Tagedieb, Lady Elisabeth“, sagte er. „Es handelt sich hier um einen Irrtum, den ich sofort korrigieren werde.“
„Einen Irrtum?“ Sie lachte verächtlich. „Der große Lord Edward Hartley, Liebling des Hofes, hat sich geirrt?“
Ein Lächeln umspielte ihren Mund – diese vollen roten Lippen, die ihrer kühlen Haltung so deutlich widersprachen. Die Lippen, die er in seiner Vorstellung geküsst, geschmeckt, genossen hatte. Ihr Lächeln brachte ihn aus der Fassung.
Er sprang auf sie zu und packte sie bei den Schultern, zog sie auf die Füße und drückte sie an sich. Ihr Lächeln verschwand, doch zu seinem großen Erstaunen versuchte sie nicht, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie lehnte sich an ihn, ihre Hände strichen dabei über seine Brust.
„Ihr seid die falsche Frau“, sagte er heiser.
Die falsche Frau?
Elisabeth starrte Edward ungläubig an. Sie war entführt und vor Angst beinahe verrückt geworden, war schockiert von seinem Auftauchen – ihr Geist konnte mit den widersprüchlichen Gefühlen kaum Schritt halten. Und alles, weil er die falsche Frau erwischt hatte?
Sie wurde von einer rasenden Wut erfasst – seltsamerweise war sie aber vor allem wütend, weil sie nicht diejenige war, die er wirklich gewollt hatte.
Im flackernden Licht der Fackeln versuchte sie seine Gesichtszüge zu deuten. Seine Miene, seine eleganten edlen Züge, die sie so widerwillig bewunderte, waren zu einer kalten, harten Maske erstarrt. Er hielt sie an sich gedrückt und gab nicht nach. Er hielt ihre Schultern fest gepackt, so als könne er sie nicht loslassen, aber sie hätte sich selbst dann nicht bewegen können, wenn sie es gewollt hätte. Sie war von seinen hellgrauen Augen in den Bann gezogen worden.
Sein schwarzes Wams war geöffnet, unter Samt und Leder kam ein Hemd zum Vorschein, dessen Bänder sich gelöst hatten. Darunter sah sie seine glatte gebräunte Haut. Elisabeth grub langsam die Finger in das weiche Leinen, sie spürte die Wärme seiner Haut unter ihren Händen. Er zog die Augenbrauen zusammen, und sie sah, wie sich seine Halsmuskulatur bewegte. Er umfasste ihre Schultern noch fester.
Also war sie ihm auch nicht vollkommen gleichgültig. Sie lächelte, als sie das erkannte.
Die Dunkelheit dort draußen, das merkwürdige kleine Haus mitten im Wald und seine Nähe schnitten sie von der wirklichen Welt ab, ihr normales Leben hatte plötzlich keine Bedeutung mehr. Ihre seltsame Lage verstellte ihr den Blick auf die Zukunft, ließ die Sorgfalt und die Vorsicht, mit der sie ihr bisheriges Leben geführt hatte, von ihr abfallen. Sie lebte nur noch in diesem Moment und hatte das Gefühl, eine vollkommen andere zu sein.
Vielleicht war die falsche Frau in anderer Hinsicht genau die richtige.
Sie ließ den Blick über seinen Hals schweifen, über die bloße Haut, die unter seinem offenen Hemd zum Vorschein kam. Eine Schweißperle glänzte unter der Wölbung seiner Brustmuskeln wie ein Edelstein, und sie beugte sich vor,
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