Historical Collection 04
und das Gut hatte einen finanziell gesicherten Eindruck gemacht. Ihm war nie in den Sinn gekommen, daran könne sich etwas geändert haben. „Wie ist das möglich?“
Der Anwalt legte die Fingerspitzen aneinander und sprach im Ton eines gelangweilten Lehrers, der zum wiederholten Male einem unaufmerksamen Schüler etwas erklären muss. „In den letzten Jahren waren die Ernten schlecht, und es gibt nicht genug Arbeit für die Menschen hier. Die Einkünfte der Pächter sind stark zurückgegangen, aber gleichzeitig erhöhten sich die Mietpreise. Viele Arbeiter sind von den Höfen verdrängt worden, und die meisten können sich nun nicht mehr leisten, auf den größeren Farmen zu wohnen. Zusätzlich hat Ihr Onkel viel Geld in landwirtschaftliche Maschinen investiert, wodurch noch mehr Arbeiter überflüssig wurden. Es gibt einfach nicht mehr genug Mieteinnahmen, um dem Anwesen mehr als das absolute Minimum einzubringen. Sie haben in London doch sicher auch etwas von den ökonomischen Veränderungen bemerkt?“ Der letzte Satz klang ziemlich herablassend. Killian war es allerdings gleichgültig, dass der Anwalt offenbar glaubte, der neue Earl vergeude seine Zeit bei einem ausschweifenden Stadtleben. In Wirklichkeit sahen seine Arbeitstage ganz anders aus. Fast jeden Morgen war er früh auf den Beinen und arbeitete bis zum späten Abend, weil er eine Schifffahrtsgesellschaft leitete. Der Jagdausflug war eine seltene Ausnahme von der Hektik seiner Arbeit gewesen.
Killian musterte den Anwalt mit festem Blick. Die Thronfolge nach dem Tod von König George hatte Unruhen verursacht, und auch die darauf folgenden Wahlen hatten ihn den ganzen Sommer über in London festgehalten. Ihm war nur allzu klar, dass die Situation auf dem Land sich ohne weitreichende Reformen zusehends verschlechtern würde. „Mr Connelly, ich bin über die sozialen und ökonomischen Probleme unseres Lands durchaus im Bilde, allerdings war mir nicht bewusst, wie stark Pembridge davon betroffen war. Mein Onkel“, Killian wies mit der Hand auf die Papiere auf dem Schreibtisch, „hat mich nicht über solche Dinge informiert.“
Mr Connelly schob die Blätter vor sich hin und her und hüstelte mehrmals, weil es ihm offenbar unangenehm war, den neuen Earl unterschätzt zu haben. „Ganz recht“, sagte dann er wieder in ruhigem Ton. „Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass kein Penny mehr übrig sein wird, wenn die Schulden einmal bezahlt sind.“
Für Killian war damit die Angelegenheit erledigt. Im Geschäftsleben wurde etwas, das mehr kostete, als es einbrachte, minimiert oder abgestoßen. Da das Erbe unveräußerlich war, blieb nur Minimierung. „Das ist nicht allzu schlimm, ich beabsichtige sowieso nicht, hierzubleiben. Wir schließen das Haus und verringern damit die immensen Kosten. Ich habe mein eigenes Kapital, das ausreichen sollte, um verbleibende Lücken aufzufüllen.“
Mr Connelly starrte ihn an. „Aber Mylord, was ist mit den Pächtern? Sie verlieren dann ihre Lebensgrundlage. Wenn der Herr geht, muss auch das Landvolk gehen.“
Oh, ja, Noblesse oblige – Adel verpflichtet. Killian seufzte. Er hatte sich nie in der Rolle des Lords gesehen, nicht einmal nach Cousin Roberts Tod im vergangenen Frühling. Aber seine beruflichen Kenntnisse konnten ihm sicherlich helfen, die neue Situation zu meistern. „Ich werde mich selbst auf dem Anwesen umschauen, dann werde ich sehen, was ich tun kann.“ Selbst wenn ich meine eigenen Reserven angreifen muss. Er war Geschäftsmann, aber das hieß nicht, dass er kein Herz hatte.
Killian plante eine schnelle Lösung der Probleme. Er würde sich um die verbliebenen Pächter kümmern, ihnen zu einem neuen Anfang anderswo verhelfen oder sie versorgen, wenn sie hier bleiben wollten. Dann würde er fortgehen, zwar leider nicht in zwei Tagen, aber hoffentlich innerhalb einer Woche. Mit der Unterstützung seines Freundes Peyton würde es sicher schneller gehen, aber sie waren beide nicht von hier, und da ihm ein recht schlechter Ruf vorauseilte, würde es schwierig werden, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen.
Plötzlich hatte Killian einen Einfall. „Gibt es hier jemanden, der die Leute gut kennt und mir vielleicht bei den Pächtern und den Leuten aus dem Dorf den Weg ebnen könnte?“ Auf keinen Fall wollte er auf Widerstand bei den Bauern stoßen. Das würde ihn ungeheuer viel Zeit kosten.
Der Anwalt nahm die Brille ab und rieb sich gedankenvoll den Nasenrücken. Nach einer Weile
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