Historical Collection Band 01
Haar, das sie offen trug, reichte ihr bis zur Taille und schimmerte rötlich braun wie Herbstlaub. Ihre blaugrünen Augen schienen immer wieder die Farbe zu wechseln.
„Verrate mir, warum, Auder“, forderte er. „Und rechtfertige deinen Entschluss nicht mit der Behauptung, du willst deinen Clan schützen. Bei dem lebst du nur selten.“
Ohne ihn anzuschauen, legte sie die Hände auf ihre Knie. „Du hast die Soldaten gesehen, Gunnar. Zweifellos streben sie die Eroberung der Burg an. Einen weiteren Angriff können wir nicht abwehren. Wenn meine Hochzeit uns mit den Normannen verbündet, wird es uns allen zum Vorteil gereichen.“
„Das ist nicht deine wirkliche Begründung – da kenne ich dich besser.“ Nun ließ er sich an Auders Seite nieder und ergriff ihre Hand. Die roten Flecken auf ihrer Haut erinnerten ihn an ihre Mädchenzeit, an den Sommer vor vier Jahren, in dem er sie kennengelernt hatte. Bei jeder Begegnung war ihm eine andere Farbe an ihren Händen aufgefallen, einen Tag Blau, am nächsten Grün. Damals war sie linkisch und unbeholfen gewesen, schlaksig und ohne weibliche Rundungen. Oft genug hatte er sie gegen die Hänseleien alberner junger Burschen verteidigt.
In jenem Mädchen hatte er die Verheißung der Schönheit gesehen, aber niemals vermutet, zu welch einer atemberaubenden, bezaubernden Frau sie heranwachsen würde.
„Meine Gründe sollten keine Rolle spielen. Was ich tue, ist richtig. Selbst wenn ich Angst habe …“ Kerzengerade richtete sie sich auf und lenkte Gunnars Blick auf ihren schlanken Körper, die vollen Brüste. Ihre Haut war seidenglatt, ihr Mund schimmerte zartrosa wie eine Muschel.
Im Widerschein der Fackeln, der von den Mauern der Burg herüberdrang, betrachtete er Auder. Das feurige Licht hob den roten Glanz in ihrem Haar hervor. Zu gern hätte er die Finger durch die seidigen Strähnen gleiten lassen …
Dir gehört sie nicht, ermahnte er sich. Gewiss war es besser, an Clár O’Reilly zu denken, die Witwe, die er hofierte. Bald würde sie ihren kleinen Sohn Nial, wie es der Brauch war, in die Obhut einer Pflegefamilie geben. Gunnar mochte den fünfjährigen Jungen. In diesem Sommer wollte er ihm beibringen, wie man sein Abendessen angelte und wie man ein Boot über die Wellen steuerte. Sein Herz erwärmte sich, wann immer er an eine künftige Vaterschaft dachte, an eigene Kinder, die zu ihm laufen und lachen würden, wenn er sie in die Luft schwenkte.
Schon vor einiger Zeit war dieser Traum in seine Reichweite geraten. Er musste Clár nur noch um ihre Hand bitten, und sie würde ihm ihr Jawort geben. Aber irgendetwas hinderte ihn daran, und er hegte den Verdacht, dass es mit Auder zusammenhing.
Verlegen räusperte sie sich. „Gunnar – ich möchte dir eine Frage stellen. Dabei geht es um Männer.“
Er wartete schweigend, ohne die geringste Ahnung, was sie von ihm wollte.
In ihren Augen sah er dunkle Schatten. Offenbar rechnete sie mit einer Ablehnung.
„Wie ich gestehen muss – ich sorge mich um meine Hochzeitsnacht.“ Mit bebenden Händen umklammerte sie ihre Knie. Aus ihrem Gesicht wich alle Farbe. „Ein einziges Mal habe ich das Bett mit einem Mann geteilt – und es kein bisschen genossen. Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Und ich möchte wissen, was ich tun muss, um meinen Gemahl zu erfreuen.“
Nur mühsam verbarg Gunnar seine Bestürzung. Er hatte geglaubt, Auder wäre eine Jungfrau und noch nie von einem Mann berührt worden. „Wann hast du dir einen Liebhaber genommen?“
„Vor einem Jahr.“ Seufzend zuckte sie die Achseln. „Ich wollte herausfinden, wie das ist … Und ich vermute, es gefiel ihm ebenso wenig wie mir. Sobald es vorbei war, verließ er mich.“
Gunnar verkniff sich die Frage, wer es gewesen sei. Aber der Gedanke, dem Kerl alle Knochen zu brechen, erschien ihm äußerst reizvoll. „Wenn es dir kein Vergnügen bereitet hat, war es seine Schuld. Mit dir ist alles in Ordnung.“
„Wahrscheinlich beglückt der Beischlaf nur die Männer, und die Frauen ertragen ihn notgedrungen, weil sie sich Kinder wünschen.“
Er biss so fest in seine Zunge, dass er sich wunderte, dass sie nicht blutete. „Da irrst du dich, Auder. Viele Frauen genießen den Liebesakt. Warum glaubst du, dass sie immer noch Feste feiern, um gewisse alte Bräuche zu würdigen?“
„Wegen der Tradition?“
Unschuldig schaute sie ihn an. Wer immer ihr die Jungfräulichkeit geraubt hatte, musste ein miserabler Liebhaber gewesen sein. Was mochte sie
Weitere Kostenlose Bücher