Historical Collection Band 03
Natur, um die Langeweile zu bekämpfen. Alistair lenkte seine Schritte nach Osten. Eine Spielhölle, wo Männer bei der geringsten Provokation töteten, passte vielleicht besser zu seiner Stimmung. Er würde vielleicht sogar den verfluchten Familienschmuck verspielen und seiner Stiefmutter einen Grund geben, endlich einmal einen echten Nervenzusammenbruch zu bekommen.
Letztlich hatten die Edelsteine seinem Vater nicht geholfen und damit die Legende widerlegt. Ganz abgesehen davon dachte Alistair auch gar nicht daran zu heiraten. Es war nicht sein Wunsch, sich in absehbarer Zukunft an ein habgieriges Weibsbild fesseln zu lassen.
„Dunstan!“, rief jemand keuchend.
Alistair stöhnte und beschleunigte den Schritt.
„Hör doch, Cousin.“ Sein Verfolger gab nicht nach.
Verdammte Verwandte. Genügte ihnen ein deutlicher Wink denn nie? Seufzend drehte er sich um und stellte sich seinem Cousin, dem Honourable Percy Hepple.
„Percy“, sagte er, als der junge Mann schnaufend vor ihm stand. Der Junge könnte etwas mehr Bewegung gut gebrauchen, dachte Alistair. Nicht, dass es ihn auch nur einen Deut kümmerte. Der Bursche könnte auch guten Rat gebrauchen, was seine Kleidung anging. Mit seiner eng taillierten Jacke – so eng es eben ging, bei seinem nicht unerheblichen Leibesumfang –, dem Kragen, der bis an die Ohren reichte, und dem seltsam geschlungenen Krawattentuch, gab Percy das vollkommene Bild eines aufgeblasenen Stutzers und Grünschnabels ab. Ganz und gar nicht die Sorte, mit der er Umgang pflegte.
„Was für ein Glück“, sagte Percy breit lächelnd. Die Wangen in seinem Mondgesicht glichen zwei roten Äpfeln. „Wirklich großes Glück.“
„Für wen?“ Alistair sah sich scheinbar suchend um.
Die Ironie überstieg Percys Verstand bei Weitem.
„Für uns.“ Percy strahlte. „Du wirst nie erraten, wo ich hin will.“
„Nein“, bestätigte Alistair. „Warum soll ich mir die Mühe machen, wenn du es mir sowieso erzählen wirst.“
„Zu Mrs B.“
„Danke. Dann werde ich es vermeiden, heute Abend jenes Bordell zu besuchen.“ Er betrachtete den Schmerbauch des blonden jungen Mannes. „Schon der Gedanke daran verursacht mir Übelkeit.“ Damit machte er einen Schritt in die ursprünglich von ihm gewählte Richtung.
Percy packte ihn am Ärmel.
Esel. Dunstan beäugte die Hand, die sich an seinen schwarzen Gehrock aus feinstem Stoff klammerte, durch sein Lorgnon, und augenblicklich zog Percy die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt.
„Heute Abend findet ihre alljährliche Auktion statt“, sagte er mit einer Stimme, die vor Aufregung eine Oktave nach oben rutschte.
„Und?“ Dunstan ließ sein Lorgnon herabbaumeln. Er hatte die Einladung gesehen und sogar mit Beauworth die Möglichkeit besprochen, teilzunehmen. Doch dann waren beide darin übereingekommen, dass sie dort seit Jahren nichts gesehen hatten, das der Mühe wert gewesen wäre. Alistair erinnerte sich nicht, wann eine Dirne das letzte Mal wirklich sein Interesse erweckt hätte, so oft er sich auch mit allen Kräften bemüht hatte.
„Zum Henker, Cousin“, quengelte Percy. „Du weißt doch, dass ich nie hineinkomme ohne Empfehlung. Du hast meinem Vater versprochen, du würdest alles in deiner Macht Stehende tun, um mich bei meinem Eintritt in die Gesellschaft zu unterstützen.“
„Irgendwie bezweifle ich, dass dein werter Vater dabei an die Einführung in das teuerste und verderblichste Bordell in der Stadt dachte, wenn man mal von den exklusiven Wilson-Schwestern absieht.“
Percy schmollte. „Ich will einfach nur die besten Huren in ganz London sehen. Alle meine Freunde gehen auch hin.“
Mrs B’s Auktionen waren gewiss nicht der richtige Ort für einen Grünschnabel wie Percy. Sein Vater wäre außer sich, wenn er es erführe. Und würde vielleicht nie wieder mit mir reden. Womöglich würde er sogar aufhören, mich ständig anzupumpen, überlegte Alistair und erlaubte sich ein kleines Lächeln. „Nun gut. Warum nicht?“
Percy hopste auf und ab vor Aufregung.
Während sie darauf wartete, auf die Bühne zu gehen, zitternd vor Kälte in ihrer knappen Tunika, wiederholte Julia im Geist wieder und wieder dieselben Worte.
Ein Mann, eine Nacht, einhundert Guineas.
Das Angebot hatte zu gut geklungen, um wahr zu sein, als Betty Bentwhistle es ihr als einen Ausweg aus ihren Schwierigkeiten vorgeschlagen hatte. Julia wurde es auch jetzt noch heiß und kalt, wenn sie sich an den fürchterlichen Moment erinnerte,
Weitere Kostenlose Bücher