Historical Exclusiv 45
lassen!“ Der Knappe versuchte mit seinen ausgestreckten Händen die Spannweite zu zeigen. „So groß muss der Umfang gewesen sein, ehe ihn Madame überlistete!“
„In der Tat.“ Yves schaute zu dem betreffenden Tier, und Gabrielle folgte seinem Blick, musste jedoch feststellen, dass der silbergraue Hengst so unschuldig dreinblickte wie nur möglich. Methuselah kaute friedlich am Heu, aber sie bemerkte das übermütige Glänzen in seinen Augen.
Es gab Tage, da dachte sie, dass das Tier schlauer war als die meisten Menschen, die sie kannte.
„ Dieses Pferd?“, fragte der Ritter zweifelnd.
„Genau dieses“, erwiderte sie bestimmt. „Selbst jetzt ist er bestrebt, Euch seine Künste unterschätzen zu lassen.“
„Tatsächlich?“ Unglauben klang in seiner Stimme mit, doch statt darüber zu argumentieren, wandte er sich an seinen Knappen. „Doch nun, da du die List des Pferdes kennst, hast du morgen keine Ausrede mehr. Hast du mich verstanden?“
„Ja, Herr.“ Gaston verbeugte sich tief.
„Und Merlin?“
„Erwartet Euch gesattelt und mit einer Schabracke versehen in seinem Stall, Herr.“
„Dein eigenes Pferd?“
„Ist bereit, Herr, und wartet mit Merlin.“ Der Junge holte tief Luft. „Ich habe den Koch um Proviant gebeten, sodass ein Mittagsmahl bereitet ist, welches ich nur noch aus der Küche holen muss. Ich hoffe, das trifft Eure Zustimmung.“
Yves hob seine Augenbrauen, und Gabrielle sah erfreut, dass er über diese Neuigkeit erstaunt war. „Sehr gut“, sagte er zustimmend, und Wärme lag in seinen Worten. „Im Gegensatz zu den Vorbereitungen von Madames Pferd hast du Voraussicht und Überlegung an diesem Morgen gezeigt.“
Gaston errötete, doch als er sich tief verbeugte, drohte der Versuch eines vergnügten Lächelns über dieses Lob ob der nun folgenden Worte sogleich wieder zu verlöschen.
„Indes solltest du einen anderen Waffenrock anziehen, denn er sieht wenig ehrenhaft aus. Ohne Zweifel ist Madame gewöhnt, in einer anständig gekleideten Gesellschaft zu reiten.“
Der Knappe blickte bestürzt zu Gabrielle, als fürchtete er, sie hätte Anstoß an seinem armseligen Anblick genommen. Sie konnte nicht anders, als ihm ermutigend zuzulächeln, und sofort war Gastons forsche Art wiederhergestellt.
Er verbeugte sich abermals tief vor dem Ritter. „Ja, Herr.“
Gabrielle musste zugeben, dass er nicht grob mit dem Jungen umging. Michel hätte Gaston dafür züchtigen lassen, dass er seine Aufgaben nicht vollständig erfüllte.
Doch der Marschall suchte nur ihren Beifall zu erheischen, indem er sich milde gab, da war sie sicher, um so alles zu erlangen, was er von ihr begehrte und sie ihm verwehrte.
Und wahrscheinlich nur, weil sie es ihm verweigerte. Sie wusste nur zu gut, dass ein Mann wie Yves de Saint-Roux niemals einer unscheinbaren Frau, wie sie selbst es war, aus freien Stücken nachstellen würde.
Das war es, woran sie sich immer erinnern musste.
„Ich werde unser Mahl holen, Herr.“
Yves nickte zustimmend, der Knabe stürmte davon und ließ seinen Herrn mit der Dame allein zurück. Methuselah beäugte den Ritter mit einem gewissen Misstrauen. Der andauernde Regen, der auf das Dach trommelte, der entfernte Lärm der Knappen, die ihre Arbeit verrichteten, und das Schlagen der Pferdeschweife erfüllten die Stille zwischen ihnen.
Im düsteren Licht des Stalles konnte Gabrielle den Ausdruck auf Yves’ Gesicht nicht deutlich erkennen, und ein unerklärliches Gefühl der Besorgnis stieg in ihr auf. Sie spielte unruhig mit Methuselahs schweren Lederzügeln, und es fiel ihr nichts ein, was sie zu dem wortkargen Ritter sagen konnte.
Nur zu gerne hätte sie gewusst, ob seine Wange immer noch von ihrem heftigen Schlag brannte.
Ihre Lippen prickelten, als sie sich an den Kuss erinnerte, und sie konnte sich kaum zurückhalten, einen Finger zu heben, um sie zu berühren. Ihr Puls pochte laut in ihren Ohren, und sie wünschte sich plötzlich, Yves möge zu seinem Pferd gehen.
„So warten wir nur noch auf Euer Gefolge“, sprach er endlich. Diese nüchternen Worte standen so sehr im Gegensatz zu ihren verwirrten Gedanken, dass ihre Wangen scharlachrot anliefen.
„Ich habe kein Gefolge“, sagte sie und hob stolz das Kinn. „Es ist nur Chevalier Leon, der mich begleitet, und ich bin sicher, er ist bereits bei seinem Pferd. Sein Knappe wird bei ihm sein.“
Der Ritter verschränkte die Arme über seiner Brust. „Keine Zofe?“
„Keine.“ Sie schüttelte den Kopf.
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