Historical Exclusiv 45
Winkel des Raums zusammengekauert hatte. Die Faust hatte er an den Mund gepresst, sein Gewand war schmutzig, und die dunklen Augen waren auf die Tür gerichtet.
Offenbar hatte er ihn kommen hören und wusste nicht, was ihn erwartete.
Glücklicherweise hatte man die Schlüssel des schweren Vorhängeschlosses nicht weit entfernt an einen Haken gehängt. Yves öffnete es schnell und stieß die Tür ungeduldig auf. Er steckte die Fackel in einen Wandhalter und blieb auf der Schwelle stehen. Er sah das verstörte Kind an und wusste für einen Augenblick nicht, was er tun sollte.
„Bist du Thomas de Perricault?“, fragte er sanft. Der Junge machte Anstalten, sich noch weiter zurückzuziehen, obwohl er bereits mit dem Rücken zur Wand stand. Er sagte kein Wort, aber in seinen dunklen Augen erkannte er Vorsicht.
Der Junge erinnerte ihn plötzlich an sich selbst, als er sechs Sommer zählte. So konnte er dreingeblickt haben, als er ein Kind war, verlassen und verwirrt im Hause seines grausamen Vaters. Er erinnerte sich nur zu gut, wie oft er sich gefürchtet hatte.
Er bückte sich, als er über die Schwelle trat, und bewegte sich langsam, um den Knaben nicht noch mehr zu ängstigen. Er legte den Helm zur Seite, setzte sich, stützte die Ellenbogen auf seine Knie und legte die Finger zusammen.
„Ich bin Chevalier Yves de Saint-Roux“, sagte er langsam. „Deine Mutter hat mich als Streiter gewonnen, um Perricault zurückzuerobern und dafür zu sorgen, dass du wieder sicher an ihrer Seite sein kannst.“ Er hielt inne. Er merkte, wie der Knabe auf den Korridor starrte, dann wieder ihn ansah.
Noch immer sagte er nichts, obwohl Yves nicht bezweifelte, dass er ihn verstand. Auch wenn die Augenfarbe anders war als die seiner Mutter, der Blick des Knaben spiegelte die Beharrlichkeit Gabrielles wider.
„Deine Mutter wartet auf dich in der Halle. Es ist ihr nichts geschehen.“ Ein Licht schien in den Augen des Jungen aufzuflammen.
„Philippe de Trevaine ist gefallen, durch meine eigene Hand“, fuhr Yves fort.
Der Junge blinzelte und schlurfte mit den Füßen unruhig über den Boden. Offensichtlich war er immer noch nicht sicher, ob er näherkommen sollte.
Doch er hatte auf die Erwähnung seiner Mutter reagiert. Saint-Roux sah sich in dem finsteren und feuchten Verlies um, er wusste, dass jede seiner Bewegungen beobachtet wurde.
„Ich glaube nicht, dass deine Mutter sich freuen würde, dich in dieser Umgebung zu sehen“, sagte er. „Als Männer ist es unsere Pflicht, Damen vor solch unerfreulichen Anblicken zu beschützen.“
Yves zog einen Handschuh aus und streckte seine Hand vorsichtig dem kleinen Jungen entgegen. „Vielleicht wäre es das Beste, sie in der Halle zu treffen.“
Thomas sah die Hand des Ritters an, dann blickte er zu ihm auf. Yves wagte nicht zu atmen. Was, wenn sich der Knabe widersetzte?
Langsam, beinahe widerstrebend, nahm Thomas die Faust von seinem Mund und betrachtete den Ritter vor sich. Er wischte die Hand an seiner Tunika ab, knabberte an seiner Lippe, dann trat er vor und legte zaghaft seine kleine Hand in Yves’.
Der Ritter fühlte, wie ihm ein großer Stein vom Herzen fiel über dieses kleine Zeichen des Vertrauens. Aber er wagte nicht, sich das anmerken zu lassen.
Sorgsam achtete er darauf, die Hand des Jungen nicht zu fest zu umschließen, damit der Knabe sich nicht fürchtete. Er erhob sich langsam und war fast sicher, dass seine volle Größe Thomas wieder ängstlich machen würde.
Zu seiner Überraschung hielt der Knabe seine Hand fest, als er in den Korridor hinausspähte. Es war eindeutig, dass er nichts Gutes von dort erwartete.
Offensichtlich beruhigt, dass sie allein waren, sah er den Ritter erwartungsvoll an.
„Sollen wir gehen?“, fragte Yves.
Thomas nickte, obwohl er sich so nah wie möglich an Yves drängte. Sie traten aus dem Verlies, doch waren sie kaum ein paar Schritte gegangen, als der Junge auf dem unebenen Kopfsteinbelag stolperte.
Unwillkürlich hob der Ritter den Knaben hoch, denn er wusste nicht, welche gefährlichen Tücken der Boden noch in sich barg. Zu spät kam ihm in den Sinn, dass seine rasche Bewegung alles zunichtemachen könnte, was er schon errungen hatte.
Thomas erstarrte für einen Augenblick, aber dann ergriff er mit seiner kleinen Faust vertrauensvoll den Waffenrock des Ritters, sodass Yves fast lächeln musste. Ein solch erhebendes Gefühl erlebt man nur, wenn man die Befriedigung spürt, eine Aufgabe gut erfüllt zu haben, sagte
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