HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
schüttelte den Kopf. „Muss denn gleich die Scheidung erreicht werden? Warum schieben Sie die Sache nicht auf, bis Sie gesehen haben, welche Art Mensch Ihr Mann inzwischen geworden ist? Vielleicht besteht noch die Chance …“
„Nein!“, fiel Mary dem Emir leise, doch in hartem Ton ins Wort. „Diese Möglichkeit gibt es nicht!“ Er kannte nur einen Teil ihrer Beweggründe, sich endgültig vom Gatten zu trennen. Sie hatte ihm verschwiegen, dass es mittlerweile Arthur Tarrington-Leigh in ihrem Leben gab, den Mann, der ihrer Tochter eine abgesicherte Zukunft und ein respektables Dasein gewährleisten konnte.
Die „S. S. Horatius“ ging mitten im Hafen vor Anker und war Minuten später von einer großen Schar bunt bemalter Scows umgeben.
„Siehst du, Kleines, unser großes Schiff kann nicht bis zum Pier fahren“, erklärte Halil ibn Aybak dem Mädchen. „Das Wasser ist nicht tief genug. Deshalb bringen uns die Leichter an Land.“
Jennifer hatte nur mit halbem Ohr zugehört. Von der Mutter auf den Armen gehalten, beugte sie sich über die Reling und winkte den auf den Wellen schwankenden Schuten zu. Bezaubert von dem blondhaarigen Kind, grinsten die abgerissen aussehenden arabischen Ruderer und winkten zurück.
Mary drückte die Arme fester um die strammen Beinchen der Tochter. Wochenlang hatte sie sich mit der Frage gequält, ob sie Jennifer nach Afrika mitnehmen solle, und Nacht für Nacht über eine andere Lösung nachgegrübelt. Aber die Schwiegermutter war nicht bei bester Gesundheit, und Arthur Tarrington-Leigh, der sich zwar erboten hatte, Jenny zu sich zu nehmen, wohnte mit einer zänkischen Haushälterin, die Kinder nicht mochte, in einem großen, einschüchternd stillen Haus. Da Mary sich ihm noch nicht verpflichtet fühlen wollte und es keine andere Alternative gab, hatte sie sich schließlich entschieden, die Tochter bei sich zu behalten.
Das sonnige Klima und die frische Meeresluft hatten Jennifer gutgetan, und bei den Passagieren wie der Besatzung des Dampfers war sie schnell beliebt gewesen. Selbst das Problem, wo sie bleiben solle, wenn Mary sich mit dem Gatten auseinandersetzte, war durch die Einladung des Emirs geklärt worden. Das Angebot hatte Mary erleichtert, und sie war Halil ibn Aybak al Gahiz von Herzen dankbar. Es gab Situationen, in die ein Kind nicht hineingezogen werden sollte, und die Aussprache über die Scheidung gehörte dazu.
Mary schaute durch den flirrenden Glast zur Stadt und redete sich ein, alles würde sich für sie zum Guten wenden. Der Gatte hatte keinen Anlass, sich ihrem Wunsch zu widersetzen. Im Gegenteil, er würde gewiss froh über die Möglichkeit sein, sich von den Banden einer Ehe zu befreien, die er ohnehin nicht hatte eingehen wollen.
Ein Schatten fiel neben Mary auf die Reling. Sie drehte sich um, blickte in das pockennarbige Gesicht des Leibwächters und erschrak im Stillen. Die hageren Wangen eingesogen, starrte er sie dreist aus dunklen, eingesunkenen Augen an. An seiner linken Hüfte hing in perlenbestickter Scheide ein langer Dolch mit elfenbeinernem Heft. Nach einem Moment lächelte er, entblößte dabei vom Tabak braun verfärbte Zähne und verbeugte sich devot. Mary holte tief Luft und bezwang das Unbehagen, das sie trotz seines stets höflichen Betragens in seiner Nähe empfand. Wann immer ihr Blick auf ihn gefallen war, hatte er verschlagen gegrinst. Außerdem war er nicht zum ersten Male so geräuschlos hinter ihr aufgetaucht und hatte sie erschreckt. Das war schon oft der Fall gewesen und hatte bei ihr den Argwohn geweckt, er sei in sie verliebt.
„Ja, was gibt es?“, fragte sie in bemüht gleichmütigem Ton.
Hassans Grinsen wurde breiter. Belustigt die dunklen Augen verengend, zog er die Hand hinter dem Rücken hervor.
In den Fingern hielt er Jennifers verschwundene Cappeline.
Die Nervosität, die Mary empfunden hatte, wandelte sich in Verdruss, und verlegen bedankte sie sich bei Hassan. Sie nahm das Strohhütchen entgegen, setzte es der Tochter auf das blonde Haar und warf sich vor, überempfindlich gewesen zu sein, da er wohl nur hilfsbereit hatte sein wollen. Er verbeugte sich noch einmal und entfernte sich dann geschmeidig. Sie beschloss, aus dem kleinen Zwischenfall eine Lehre zu ziehen und beim nächsten Mal nicht so voreilig zu urteilen.
An Steuerbord ließen die Matrosen Taljen herunter, damit die sich mit ihrer persönlichen Habe versammelnden Passagiere in die wartenden Hafenschuten gebracht und die Gepäckstücke
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