HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
dorniger Eingrenzungen – war wie ein Geschwür in der gelblichen Landschaft. Das Dröhnen von Vorschlaghämmern drang hinter dem Hügel hervor, hinter dem das Gleis im hohen Steppengras verschwand, und in der glücklicherweise noch kühlen Luft hing der Geruch von Kaffee, verbranntem Holz und abgestandenem Essensdunst.
Wie üblich war Cameron beim ersten Morgenlicht mit den Arbeitern aufgestanden. Eigentlich hätte er jetzt beim Galana-Fluss sein müssen, vor dem der Streckenabschnitt zunächst endete, und die Bauarbeiten an der halb fertigen Brücke beaufsichtigen müssen. Da jedoch der Güterzug mit Proviant, Bauholz für die Überführung und weiteren indischen Kulis erwartet wurde, war er im Lager geblieben, um das Abladen zu überwachen.
Der Zug hatte sich verspätet. Unruhig schlenderte Cameron zum Rand des Camps und schaute über die sich endlos dahinziehenden Wellen der trockenen, nur hin und wieder von einer Akazie oder Dorngestrüpp unterbrochenen Savanne. Ungefähr eine Meile entfernt bemerkte er eine Herde Streifengnus, die sich wie ein dunkelbrauner Schatten auf der Ebene bewegte. Weit im Norden hob sich der beeindruckende Kegel des Kilimandscharo gegen den strahlend blauen Himmel ab. Es war gut, dass kein Wölkchen zu sehen war. Wenn die Regenzeit noch bis zum April auf sich warten ließ, bedeutete jeder sonnige Tag, dass weiterer Schotter ausgebracht werden konnte, mehr Schwellen verlegt und der Schienenstrang vorangetrieben wurde.
Das schrille Pfeifen einer Lokomotive riss Cameron aus den Gedanken. Er hielt die Hand über die Augen, starrte zum Horizont und entdeckte die sich nähernde Rauchfahne. Kurz darauf kam die klobige Lokomotive und der aus wenigen Plattformwagen bestehende Zug in Sicht. Verschreckt blieb die Herde Streifengnus einen Moment stehen, floh dann verstört und verschwand in der dunstigen Ferne. Langsam kehrte Cameron zum Gleis zurück. Er hatte längst eingesehen, dass Geduld nicht seine größte Stärke war. Verzögerungen brachten ihn zur Weißglut; Untätigkeit machte ihn nervös, und über die Unfähigkeit anderer konnte er sich maßlos ärgern. Er fühlte sich am wohlsten, wenn er beschäftigt war, sich mitten im Gewühl befand und dafür sorgen konnte, dass Fortschritte erzielt wurden.
Zischend und fauchend hielt der Zug vor ihm an. Sofort stellte Cameron sich vor, wie die hölzernen Stützpfeiler an Ort und Stelle gebracht wurden und die Brücke Stück für Stück Gestalt annahm. Schätzungsweise einhundert indische Kulis waren eingetroffen. Erschöpft von der vierundzwanzigstündigen Fahrt auf den offenen Güterwagen schwangen sie sich müde zur Erde. Er ließ den Blick über sie schweifen und schätzte ab, welche Leistung sie erbringen mochten. Die meisten schienen gesund und kräftig zu sein. Er beschloss, ihnen einige Stunden Ruhe zu gönnen, damit sie sich stärken und ihre Ausrüstung holen konnten, und sie dann zu den Arbeitern am Ende der Baustelle zu schicken.
Auf den beiden letzten Waggons waren die Balken für die Bahnüberführung festgezurrt. Cameron schlenderte dorthin und blieb verdutzt stehen, als plötzlich auf dem letzten Wagen eine turbantragende schmächtige Gestalt zwischen zwei Stapeln hervorkam und linkisch zu Boden sprang. Sie wandte ihm den Rücken zu, sodass er das Gesicht nicht erkennen konnte, doch er nahm an, dass es sich um einen etwa vierzehnjährigen, nicht sehr kräftig entwickelten Jungen handelte. Es war ihm unbegreiflich, dass ein solcher Schlas auf dem Zug hatte mitfahren dürfen. Wahrscheinlicher war, dass der Bursche sich mit seinem Vater oder einem älteren Bruder auf den Waggon geschlichen hatte. Rasch zerrte er einen abgenutzten Rucksack aus einem Versteck und hastete um den Plattformwagen davon.
Schon im Begriff, ihm nachzueilen, bemerkte Cameron aus dem Augenwinkel den Gehilfen des Steinmetzen, der in der Frühe angeblich noch zu krank gewesen war, um zur Arbeit kommen zu können, nun jedoch wie ein Pfau mit gespreizten Schwanzfedern zwischen den Zelten herumstolzierte. Kumar Dass musste eine Lektion erteilt werden, und es war Camerons Aufgabe, das zu tun. Später war Zeit genug, sich mit dem verschwundenen Jungen zu befassen. Cameron machte auf dem Absatz kehrt und ging zu dem indischen Drückeberger.
Nach der langen Reise fühlte Mary sich durchgerüttelt und lehnte sich mit zitternden Knien gegen den Rand des beladenen Waggons. Unter dem fest um den Kopf gewundenen Turban empfand sie ein unerträgliches Jucken, und die
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