HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
vertreiben.“
Mary klopfte das Herz bis zum Hals. „Aber wir können doch nicht …“
„Würdest du dich lieber in einem schmutzigen kleinen Zelt zwischen mich und Cummings zwängen, Mary, mein Liebling?“, fragte Cameron in triefend süßlichem Ton, legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte fest zu. „Mr. Bowmans Vorschlag ist sehr vernünftig. Ich meine, es bleibt uns nichts anderes übrig, als seine Gastfreundschaft anzunehmen.“
„Ihr Mann hat recht, Mrs. MacKenna. Ich versichere Ihnen, Sie würden es nicht angenehm finden, neben Cummings schlafen zu müssen. Er schnarcht so laut, dass man glauben könnte, er fälle Bäume im Schlaf.“ Anthony lachte über seinen Scherz.
„Oh! Also gut.“ Mary wusste, dass sie in die Enge getrieben war, schluckte und warf dem Gemahl einen giftigen Blick zu. Er sollte nicht wagen, sie auch nur zu berühren. Doch das würde er bestimmt nicht tun. Er spielte nur Mr. Bowman und den anderen Leuten zuliebe den aufmerksamen Ehemann. Darüber hinaus lag ihm nichts an ihr. Er hatte nie etwas für sie empfunden. Das war ihr schon seit Langem klar.
„Gut, dann ist die Sache abgemacht!“, sagte Anthony. „Ich hole nur einige meiner persönlichen Dinge, und dann gehört das Zelt Ihnen.“
Ein anderer, untersetzter und säbelbeiniger Engländer mit Stoppelbart kam keuchend von der Baustelle angerannt. „ Verdammt, MacKenna, Sie sollten sofort zur Brücke gehen! Einer der Stützbalken hing am Kran, als plötzlich das Seil riss. Der Pfosten ist geborsten. Pooram Singh hat ein gebrochenes Bein. Der Vorarbeiter ist so wütend, dass er die Handlanger am liebsten erwürgen würde. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen, aber er wollte nicht auf mich hören. Sie müssen mit ihm reden.“
Cameron seufzte. „Gut, Cummings, ich komme.“ Er wandte sich an Anthony Bowman. „Begleiten Sie mich?“
„Ich kümmere mich erst darum, dass Ihre Gattin untergebracht wird, und folge Ihnen dann. Gehen Sie gleich, MacKenna, ehe dort alles nur noch schlimmer wird.“
Mary bekam es mit der Angst. „Die Papiere, Cameron!“
„Das muss warten!“ Ohne die Gemahlin noch eines Blickes zu würdigen, rannte er auf dem Gleis davon und verschwand bald darauf hinter dem Hügel.
Mary schaute ihm nach, und das Gefühl der Unsicherheit wurde noch stärker. Während des Gespräches unter der Schirmakazie, als er in die Scheidung eingewilligt hatte, war ihr alles so leicht vorgekommen, doch nun schien die Angelegenheit ihr aus den Händen zu gleiten, und sie konnte nichts daran ändern. Es war, als habe eine unsichtbare Macht ihr die sorgsamst zurechtgelegten Pläne aus den Fingern gerissen und streue sie wie trockenes Laub in den Wind.
5. KAPITEL
Betroffen über den Unfall an der Baustelle und gleichzeitig dankbar dafür, dass ihm eine Atempause gegönnt war, hastete Cameron über den Schienenstrang. Das Wiedersehen mit der Gemahlin hatte ihn in einen ungeheuren Gefühlsaufruhr gestürzt. Er brauchte Zeit, um mit sich ins Reine zu kommen und sich an die neue Situation zu gewöhnen, und das konnte er nur tun, wenn er nicht in Marys vermaledeite, ihn vorwurfsvoll anschauende veilchenblaue Augen sehen musste. Verdammt, alles wäre in Ordnung gewesen, hätte sie ihm ihre Absichten brieflich mitgeteilt. Dann hätte er genügend Gelegenheit gehabt, sich mit der Entwicklung der Dinge abzufinden, und nicht diesen Schock erlebt. Doch durch das unvermutete Erscheinen der Gattin kam er sich vor, als habe er einen Schlag vor den Kopf erhalten.
Etwas anderes hatte er von ihr wohl nicht erwarten dürfen. Nach ihrem Geständnis, sie sei guter Hoffnung, hatte er sich ihr gegenüber äußerst schäbig verhalten, dann bei der Hochzeit nicht viel besser aufgeführt und ihr vier Jahre lang kein Lebenszeichen von sich geschickt. Er allein trug die Schuld daran, dass er jetzt so aus dem inneren Gleichgewicht geraten war. Natürlich hatte er stets die Absicht gehabt, der Gemahlin irgendwann zu schreiben. Zu Beginn des Aufenthaltes in Afrika hatte die Wut über die ihm aufgezwungene Ehe ihn davon abgehalten. Später hatte er nicht mehr gewusst, wie er einen Brief beginnen sollte, und in letzter Zeit war er durch die lange Krankheit und die im Krankenhaus gewonnene Erkenntnis, der Traum, in Afrika ein Vermögen zu machen, sei nur ein Luftschloss gewesen, daran gehindert worden, sich mit Mary in Verbindung zu setzen.
Er hatte begriffen, dass er weder ihr noch irgendeiner anderen Frau etwas bieten konnte. Eine Weile
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