HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
Cabral war der Einzige, der die Elefanten erlegte, hatte mich jedoch gelehrt, ihm für den Fall, dass er in Bedrängnis geriet, mit schussbereitem Gewehr beizustehen. Eigentlich war der widerliche Schlächter nicht auf meine Hilfe angewiesen, da er als ausgezeichneter Schütze sein ekelhaftes Handwerk bestens beherrschte. An einem Tag brachte er vier oder fünf Elefanten zur Strecke, manchmal auch mehr, wenn wir auf eine Herde guter Tiere gestoßen waren. Ich hoffte, mich an dieses abscheuliche Schauspiel zu gewöhnen, doch es gelang mir nicht. Im Gegenteil, es stieß mich mehr und mehr ab.“
Cameron machte wieder eine Pause und sah, dass die Gattin ihn erwartungsvoll anschaute. Einen Herzschlag lang fühlte er sich versucht, seine Geschichte zu beschönigen, doch es hatte keinen Sinn, unter falschen Voraussetzungen Verständnis und Anteilnahme finden zu wollen. Er musste Mary die ganze Wahrheit berichten, auch wenn sie dann erkannte, wozu er wirklich fähig war, und ihn verachten würde. Aber da er sie bereits verloren hatte, konnte es ihm einerlei sein, was sie über ihn dachte.
„Eines Nachmittags sahen wir im Busch eine Elefantenkuh mit einem Kalb, die uns sofort angriff, nachdem sie uns gewittert hatte.“ Bei der Erinnerung brach Cameron auch jetzt noch der Schweiß aus. „Cabral legte auf sie an und zielte. Das Muttertier hatte ihn fast erreicht, als er den Abzug betätigte. Es gab eine Fehlzündung, und nur ein Klicken war zu hören. Und plötzlich lag alles Weitere bei mir. Aber ich war wie gelähmt und konnte nicht schießen. Aus einem Abstand von ungefähr fünfzig Schritten erlebte ich mit, wie die gereizte Elefantenkuh Cabral zu Tode trampelte.“
Der Gatte hatte innegehalten, und erneut wollte Mary ihm besänftigend die Hand auf den Arm legen, doch sein warnender Blick hielt sie davon ab.
Er bedeckte das Gesicht mit den Händen, seufzte schwer und war sicher, dass Mary ihn voll Abneigung beobachtete. Nun wusste sie, welch elender Feigling er war, konnte guten Gewissens in die Heimat zurückkehren und ihren vornehmen Freund heiraten. Er würde den letzten Rest des ihm verbliebenen Stolzes ignorieren, seine Seele dem Teufel verschreiben und das von Murchison auf blutige Weise zusammengeraffte Elfenbein suchen.
Beruhigend drückte Mary den Arm des Gatten und sagte sanft: „Quäl dich nicht, Cameron. Es ist alles in Ordnung. Vergiss die Vergangenheit, und blicke in die Zukunft.“
Er sehnte sich danach, die Gattin an sich zu drücken und zu küssen, bis sie beide von Leidenschaft überwältigt waren, und sie dann stürmisch zu lieben. Vielleicht gelang es ihm so, die schrecklichen Erinnerungen zu bewältigen. Aber Mary würde sich ihm nie hingeben. Das von ihr gezeigte Mitleid war nur Theater. Er wusste ja, wie gut sie sich verstellen konnte, und war überzeugt, dass sie mit den schönen Worten nur den Abscheu vor ihm hatte bemänteln wollen. Brüsk entzog er sich ihr und fragte erregt: „Ich soll die Vergangenheit vergessen? Meinst du, Mary Margaret, ich könnte das, nur weil du es gesagt hast? So ein Unsinn! Du hast keine Ahnung, wie mir zumute ist! Du bedauerst mich nur, das ist alles. Aber ich kann auf dein Mitleid verzichten. Du kannst zur …“
„Hör auf, Cameron!“, unterbrach sie ihn eisig. „Ich glaubte, wir könnten als Freunde scheiden, doch nun ist mir klar, dass es nicht möglich ist. Du bist so von Selbstverachtung und Hass auf dich erfüllt …“
„Das genügt!“, brauste er auf.
Erschrocken setzte sie sich zurück und schaute ihn betroffen an.
Er wusste, dass seine Äußerungen ungerechtfertigt gewesen waren, aber nun war es zu spät, sie zurückzunehmen und auf Verständnis von Marys Seite zu hoffen. Seufzend wandte er sich ab und sagte: „Wir sollten schlafen gehen, Mary, sonst zerreißen wir uns gegenseitig in Stücke.“
Im Nu schwand aller Widerspruchsgeist, und erschöpft stand sie auf. „Lösch die Lampe. Ich möchte mich im Dunklen entkleiden.“
Cameron blies das Licht aus, tappte im Finstern zum Schlafsack und legte sich hin, ohne sich auszuziehen. Er hörte die Gattin sich rasch der Sachen entledigen und empfand die vertrauten Geräusche als Qual. Er ertrug das Geraschel, solange er dazu fähig war, zerrte schließlich jedoch die Decke über die Ohren, um nichts mehr hören zu müssen.
9. KAPITEL
Mary war wach, als der Gatte morgens das Zelt verließ, blieb indes mit geschlossenen Augen liegen. Nach der letzten Nacht hatten sie beide sich nichts mehr
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