HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
blickte am Emir vorbei in den Waggon und bemerkte dunkle Gesichter und schimmernde Gewehrläufe.
Cameron erteilte den Küchenjungen die notwendigen Befehle, nahm dann die Gattin wieder beim Arm und führte sie, gefolgt von dem aufgeregten Emir, zu einer schattigen Stelle in der Nähe der Zelte. Drei Faltstühle wurden gebracht, und dann half er Mary, sich zu setzen.
Benommen registrierte sie, dass ein junger Kuli ihr eine gefüllte Teetasse reichte. Sie nahm sie entgegen, war in Gedanken jedoch bei der Tochter und sah sie vor sich, ängstlich, eingeschüchtert und verstört, und auch Hassans schmierigen, gierigen Blick. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Am liebsten hätte sie aus ohnmächtiger Wut geschrien, die Tasse mit dem dummen, bedeutungslosen Tee zu Boden geschleudert und um sich geschlagen. Doch es war sinnlos, dem Zorn nachzugeben. Sie musste sich beherrschen, einen klaren Kopf bewahren und eine Möglichkeit finden, die Tochter zu retten. Sie wandte sich dem Emir zu und sagte gezwungen ruhig: „Ihren Worten zufolge ist Hassan der Entführer. Bitte, schildern Sie uns, wie es passiert ist.“
Der alte Mann saß sehr aufrecht da. Seine Haut war grau, und er wirkte, als stehe er am Rande eines Zusammenbruchs. Er atmete tief durch und erwiderte: „Sie sollten wissen, Madam, dass Hassan sehr raffiniert zu Werk gegangen ist. Ich werde Ihnen später berichten, wie ich das erfahren habe. Sie erinnern sich, dass Sie zu Beginn der Morgendämmerung, ehe irgendjemand anderer aufgestanden war, nach Kilindini aufgebrochen sind. Nachdem Sie fort waren, hat Hassan sich Jennifers bemächtigt. Seine Freunde warteten schon hinter der Gartenmauer.“
„Seine Freunde?“
„Ja, Sklavenhändler!“, antwortete Halil verächtlich.
Mary sank das Herz.
„Hassan ist ein gerissener Teufel“, fuhr Halil fort. „Er versah bereits seine Pflichten, als ich und meine Frauen unsere Gemächer verließen, und verkündete uns, Sie hätten Ihr Töchterchen mitgenommen. Ich fand das eigenartig, hatte indes keinen Grund, an Hassans Angaben zu zweifeln, und fand sie noch dadurch bestärkt, dass ein Teil der Garderobe Ihrer Tochter fehlte. Zwei Tage später kam Hassan zu mir und behauptete, seine in Lamu lebende Mutter sei schwer krank geworden und läge im Sterben. Selbstverständlich gestattete ich ihm, sie aufzusuchen. Bitte, haben Sie Verständnis, Madam, Sir, aber ich konnte doch nicht wissen, was er verbrochen hatte.“
Ungeachtet des eigenen Schmerzens, streckte Mary die Hand aus, legte sie dem Emir auf den Arm und flüsterte: „Wir beide hatten Vertrauen zu Hassan. Aber ich begreife nicht, warum er das getan hat.“
„Er hatte Spielschulden, und seine Gläubiger waren ungeduldig geworden. Das wurde mir am dritten Tag von einem Verbündeten meines Leibwächters zugetragen, einem jämmerlichen Kerl, der ebenfalls Geld brauchte. Gegen eine Belohnung berichtete er mir alles, was er wusste. Doch das ist noch nicht alles, Madam. Es gab noch andere Männer, die den Auftrag hatten, den Zug im Auge zu behalten und auch Sie zu entführen.“
„Mich?“ Eisige Kälte breitete sich in Mary aus. „Dann hätten Sie nie erfahren, dass meine Tochter nicht bei mir ist.“
Halil nickte ernst. „Zweifellos hätte Hassan den Dienst wieder aufgenommen, und ich nie geargwöhnt, dass er etwas mit Ihrem Verschwinden zu tun hat.“
Wütend beugte Cameron sich vor. „Und was ist aus diesem Schuft geworden, Sir?“
„Ich weiß es nicht. Vermutlich hat er sich den Sklavenhändlern angeschlossen.“ In den Augen des Emirs stand ein Ausdruck wilder Entschlossenheit, die Mary ihm nie zugetraut hätte. „Könnte ich die Hand auf Hassan legen, würde er eines langsamen, qualvollen Todes sterben, weil er solche Schmach über mein Haus gebracht hat.“
Die Heftigkeit des Ausbruchs veranlasste Mary und Cameron, betreten zu schweigen. Die Stille gab ihr Gelegenheit zum Nachdenken, die Tage nachzuzählen, die sie nicht mit der Tochter zusammen gewesen war, und sich auszumalen, was das Kind in diesem Moment durchmachen musste. Wieder überkam sie Panik, und abrupt sprang sie auf. „Ich verstehe nicht, aus welchem Grund meine Tochter entführt wurde!“
Sacht zog Cameron die Gattin auf den Faltstuhl zurück.
Mitfühlend blickte der Emir sie an. „Mir wäre es lieber, ich müsste Ihnen den Grund nicht erklären“, murmelte er beklommen. „Es gibt verkommene Männer, für die ein derart junges und hübsches Kind besonders großen Wert hat und
Weitere Kostenlose Bücher