HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
hinzunehmen sie nicht bereit war. Sie entsann sich der gezackten Linie, die den nun vor ihr aufragenden Kenia darstellte, und schrie innerlich vor Entsetzen auf. Cameron war gewiss nicht so habgierig, um Jennifers Leben dem weißen Gold zu opfern. Doch sie musste es genau wissen und brachte mühsam heraus: „Soweit ich es anhand des eingezeichneten Berges und des Flusses beurteilen kann, muss das Versteck des Elfenbeins irgendwo hier in der Gegend sein.“
„Ja, es scheint so“, erwiderte Cameron vorsichtig. „Die Zeichnung ist indes nicht maßstabsgerecht. Einige der eingetragenen Markierungen sind sicher nicht sehr auffällig und werden schwer auszumachen sein.“
„Und wo befindet sich, von hier gesehen, der Dscharengpass?“
„Er ist noch einen Wochenmarsch entfernt, vielleicht mehr.“ Cameron bemerkte den zornigen Blick seiner Frau. „Ich weiß, was du jetzt glaubst, Mary, doch du hast unrecht. Es ist reiner Zufall, dass wir uns in dieselbe Richtung bewegen, in der das Elfenbeinversteck sein soll. Ich versichere dir, Jennifer hat vor allem anderen Vorrang.“
„Tatsächlich?“, fragte Mary wütend. „Du belügst mich, Cameron! Du hast mir dauernd die Unwahrheit gesagt. Dieser Treck ist nicht dazu bestimmt, unsere Tochter zu retten. Nein, was dich betrifft, ist er nur eine weitere deiner vermaledeiten Suchen nach einem Vermögen.“
„Mary.“ Sein Gesicht war kreidebleich geworden. „Hör mir zu!“ Cameron schwankte wie ein Betrunkener. „Du musst mir glauben!“
„Wenn deine Absichten so ehrenhaft sind, warum hast du mir dann nichts von der Karte erzählt? Warum hast du die Geschichte für dich behalten?“
In düsterer Betroffenheit schaute er die Gemahlin an. „ Vergiss nicht, du hattest mir deinen Wunsch mitgeteilt, dich von mir scheiden zu lassen. Ich fand, die Zeichnung gehe dich nichts mehr an. Ich wollte nicht, dass du auf den Gedanken kommst, ich könnte sie benutzen, um dich womöglich sogar zurückzukaufen.“
„Mich zurückzukaufen?“
„Das tut dein vornehmer englischer Verehrer doch, nicht wahr?“
Am liebsten hätte Mary den Gatten geohrfeigt, wäre sie dazu imstande gewesen. Aber aus einem ihr unerklärlichen Grund fand sie nicht die Kraft. „Es kam dir sehr gelegen, dass unsere Tochter entführt wurde!“, zischte sie Cameron an. „Auf diese Weise zahlt ein kummerbeladener alter Mann für deine Expedition! Mich wolltest du in Machakos zurückgelassen, und wenn dir das gelungen wäre, hättest du dich nicht mehr um Jenny gekümmert, dein eigen Fleisch und Blut, und dich auf den Weg zum Elfenbein gemacht. Du habgieriger, widerlicher Egoist!“
„Sei still! Rede du mir nicht von Habgier, Mary Margaret. Deine Selbstsucht hat uns in diese schreckliche Lage gebracht.“
„ Versuche nicht, mir die Schuld zu geben! Was du getan hast, Cameron, ist, … mir fehlen die Worte!“
„Und du?“ Sein Blick war verschwommen. „Hättest du gelernt, mir zu vertrauen …“ Cameron torkelte, bemühte sich vergebens, Halt zu finden, und fiel seitlich um. Er zuckte einmal und lag dann ganz still.
„Cameron!“ Hastig beugte Mary sich zu ihm und bemühte sich, ihn hochzuheben. Doch er war zu schwer. Sie konnte ihn nicht bewegen. Und in diesem Augenblick begriff sie, was geschehen sein musste. „Cameron“, flüsterte sie mit bleierner Zunge. „Es war … ein … Betäubungsmittel … im Stew.“
Cameron wurde sich starker Schmerzen bewusst. Stöhnend griff er sich an die pochende Schläfe und fragte sich, was, zum Teufel, mit ihm los sei. Ein Weilchen harrte er, den Arm über die Augen gelegt, reglos aus und merkte, dass er noch immer die Karte in der Hand hielt. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Jäh riss er die Lider auf und setzte sich klopfenden Herzens auf. Hoffentlich war die Gattin nicht so wütend auf ihn gewesen, dass sie das Lager verlassen hatte. Nein, sie lag neben ihm, voll bekleidet und tief schlafend. Unwillkürlich empfand er Zärtlichkeit für sie, die tapfere kleine Mary Margaret. Er konnte es ihr gewiss nicht verargen, dass sie ihm am vergangenen Abend so gezürnt hatte. Was hätte sie auch von ihm denken sollen, nachdem er sich so verhalten hatte? Aber sie würde bald merken, dass er ihr tatsächlich die Wahrheit erzählt hatte. Ja, das würde sie feststellen, sobald man am Dscharengpass war.
Unvermittelt fiel Cameron auf, dass im Lager tiefe Stille herrschte. Kein Laut drang in das Zelt, obwohl die Swahili eigentlich längst zum Aufbruch
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