HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie leise.
„Ja, mein Mädchen. Komm! Vielleicht finden wir den Weg, ehe es dunkel wird.“ Cameron nahm die Feldflaschen und zog die Gattin hoch.
Minutenlang ging sie schweigend neben ihm her. Dann fragte sie in sprödem Ton: „Hast du darüber nachgedacht, wie wir Jenny aus den Händen der Sklavenhändler befreien, wenn, nein, falls wir sie gefunden haben?“
„Ja.“ Cameron nickte bedächtig. „Ich habe mir das Hirn zermartert, aber keine Lösung gefunden. Wie wir uns verhalten müssen, lässt sich erst entscheiden, wenn wir die Entführer vor uns haben. Sie sind uns zwar zahlenmäßig überlegen und besser bewaffnet, doch vielleicht gelingt es uns, nachts in ihr Camp einzudringen oder sie irgendwie in einen Hinterhalt zu locken, ohne Jennifer in Gefahr zu bringen.“
„Der Plan mit dem Elfenbeinversteck!“ Marys Stimme hatte vor Aufregung gebebt. „Du hast ihn noch in der Hosentasche! Wir könnten ihn als Lockmittel einsetzen und versuchen, unsere Tochter im Austausch für die Karte freizubekommen!“
Cameron war klar, welche Konsequenzen sich für ihn aus diesem Vorschlag ergaben. „Ja, das wäre eine Möglichkeit“, erwiderte er gedehnt. „Doch die Garantie, Jennifer auf diese Weise retten zu können, hätten wir dennoch nicht. Die Kerle, mit denen wir es zu tun haben werden, sind ehrlos und könnten uns töten, um an die Zeichnung zu gelangen.“
„Das würden sie nicht tun, wenn du ihnen drohst, die Skizze zu vernichten, falls sie uns angreifen sollten“, entgegnete Mary hart. „Sie sind habgierige Hazardeure. Zumindest Hassan hat es nur auf Geld abgesehen. Falls das Elfenbein tatsächlich am eingezeichnetem Ort vorhanden ist, hat es einen tausendmal höheren Wert als jeder Preis, den die Entführer für Jenny erzielen könnten.“
„Deine Idee ist nicht abwegig. Die Entscheidung, ob wir darauf zurückgreifen, können wir indes erst zu gegebener Zeit treffen“, sagte Cameron ausweichend und mied den Blick der Gattin. Über dieselbe Möglichkeit hatte er schon seit Wochen nachgegrübelt, sich jedoch noch nicht an den Gedanken gewöhnt, auf das weiße Gold zu verzichten. Oh, es war keine Frage, ob er zwischen dem Elfenbein und der Tochter wählen müsse. In dieser Hinsicht gab es keine Wahl. Natürlich kam Jennifer an erster Stelle. Aber er spielte immer noch mit der Chance, sich den Traum erfüllen zu können und Mary, die Tochter und ein Vermögen aus dem Erlös des Elfenbeins zu haben.
Innerlich aufgewühlt, starrte er in die Ferne. Mit dem Gewinn aus dem Verkauf des weißen Goldes konnte er Gattin und Tochter das Leben bieten, das beide verdient hatten. Dann würden sie ein schönes Haus, Diener, hübsche Kleider, die richtigen Freunde und Ferien im Ausland haben. Er wusste, es war diese Art Leben, auf die Mary großen Wert legte. Sie war ihr so wichtig, dass sie sich deswegen sogar entschieden hatte, sich von ihm scheiden zu lassen. Aus dieser Erkenntnis sah Cameron sich in einem fatalen Dilemma. Verzichtete er auf das Elfenbein, besaß er nichts und war ein Niemand. Dann hatte Mary keinen Grund mehr, bei ihm zu bleiben. Selbst wenn sie es tat, hatte er nicht die Mittel, sie und Jennifer zu ernähren. Die Arbeit bei der Eisenbahngesellschaft hatte er aufgegeben, und nach der Kündigung konnte er nicht damit rechnen, erneut eingestellt zu werden. So gesehen, ruhten alle seine Hoffnungen auf Murchisons Karte.
Der Pfad führte einen steinigen Hügel hinunter. In Gedanken versunken, schreckte Cameron auf, als die Gattin ihn am Arm berührte.
„Das dort unten sieht wie eine Straße aus, Cameron!“, sagte sie eifrig.
Er starrte auf die Ebene. Da wand sich tatsächlich ein schmales Band durch die Savanne, das zwar nicht wie eine Straße, eher wie ein breiter, ausgetretener Karawanenweg wirkte.
Mit der Hand die Augen gegen das Licht der tief stehenden Nachmittagssonne schützend, fragte Mary: „Das kann nicht der Weg sein, auf dem wir von Machakos losgezogen sind, nicht wahr?“
„Nein, mein Mädchen. Das ist eine der wichtigsten Karawanenrouten. Ein Stückchen weiter dort hinten biegt sie nach Süden ab. Und da sind zwei andere Wege, die auf sie zulaufen.“
„Der Dscharengpass!“
„Ja, er muss ganz in der Nähe sein“, stimmte Cameron in gepresstem Ton zu. „Komm weiter! Auf diesem Weg gelangen wir gewiss sehr schnell dorthin.“ Ohne Hast setzte Cameron mit der Gattin den Abstieg vom Hügel fort. Er hörte sie schwer atmen und ahnte,
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