HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
dass sie zwischen Furcht und Hoffnung schwankte. Die vergangenen Wochen waren stets von Unsicherheit überschattet gewesen, doch nun war bald mit Gewissheit zu rechnen, so niederschmetternd oder erfreulich sie auch sein mochte.
17. KAPITEL
Das Erdreich war in Jahrhunderten von unzähligen nackten Füßen und Hufen so festgetreten worden, dass sich trotz des Regens nirgendwo Spuren einer kürzlich durchgezogenen Karawane erkennen ließen. Sorgfältig achtete Cameron auf den Untergrund, war jedoch nicht imstande, zu sehen, wann die letzten Reisenden diesen Weg genommen hatten. Er warf einen Blick zum Himmel und sagte sorgenvoll: „Es ziehen schon wieder dunkle Wolken auf. Wir müssen uns sputen. Wenn wir Glück haben, erreichen wir den Dscharengpass, bevor der Regen einsetzt. Der Emir hat erwähnt, dass es dort alte, in die Felsen gehauene Höhlen geben soll.“
„Wunderbar! Neuerdings habe ich eine Vorliebe für Höhlen!“ Der Versuch zu scherzen hatte Mary hohl in den Ohren geklungen. Ihre dünne Stimme hatte beim Sprechen gezittert.
Cameron wollte die Gattin stützen, doch sie schüttelte heftig den Kopf. „Ich fühle mich wohl. Gehen wir weiter.“
Nach ungefähr einer halben Meile verlangsamte Cameron aus Rücksicht auf die Gemahlin den Schritt und sah sie jäh erstarren, als habe sie einen Schlag erhalten. „Was, zum Teufel, ist los, Mary?“, fragte er verwundert und ergriff sie beim Arm.
Mit einem halb erstickten Schrei riss sie sich los und rannte vom Weg zu einem zerdrückten roten Gegenstand, der in einem großen Dornbusch hing.
Cameron fluchte und überlegte, ob er ihr nacheilen solle, und hastete ihr nach einem Moment hinterher. Sie hatte sich in die dornigen Zweige gedrängt, die ihr die Sachen zerrissen und lange, blutige Kratzer auf den Armen hinterließen.
Ungeachtet des Schmerzes griff sie durch das Gestrüpp.
Als Cameron sie erreichte, lag sie nach vorn gebeugt in dem Geäst, und Tränen strömten ihr über das Gesicht. Schluchzend drückte sie den Gegenstand an die Brust. Cameron hatte das Buschmesser gezogen, um die Dornenranken durchzuschneiden, und sah plötzlich, was Mary in den Händen hielt. Es war ein Sonnenhütchen, die kleine, mit einem roten Filzband geschmückte Cappeline eines Mädchens.
Blut tropfte Mary von den zerstochenen Armen, doch sie empfand keinen Schmerz. Sie drückte den Strohhut der Tochter an sich, während der Gatte die Dornenzweige abhackte, und ließ die Cappeline auch nicht los, als er sie sacht aus dem Busch zurückzog, sie sich sanft zu setzen nötigte und ihr die Schrammen mit seinem angefeuchteten Taschentuch abtupfte.
Cameron musste sie nicht fragen, wessen Cappeline das war.
Mary blickte ihm in die blauen Augen und ahnte, was er dachte. „Die Sklavenhändler sind schon hier vorbeigekommen“, sagte sie bestürzt. „Sie sind uns voraus.“
„Ja.“ Cameron schaute auf das Strohhütchen der Tochter. „Weit können sie jedoch noch nicht sein. Der Hut ist trocken und in gutem Zustand. Also hing er erst seit dem letzten Regenguss im Busch.“ Cameron atmete tief durch. „Wir holen die Entführer ein, mein Mädchen. Ganz bestimmt!“ Er fuhr fort, Mary den Arm zu säubern.
Mary hielt es vor Ungeduld nicht mehr aus. „Bitte, Cameron, beeile dich!“
„Wir haben genügend Zeit.“
Mit einer Sorgfalt, die Mary verrückt machte, setzte er seine Bemühungen fort.
„Bald wird es Nacht. Hassan und seine Begleiter müssen ein Lager aufschlagen. Vielleicht tun sie das beim Dscharengpass. Sollte der Regen uns nicht unterwegs aufhalten, gehen wir so lange weiter, bis wir sie entdeckt haben.“
Der Gatte furchte die Stirn, und Mary ahnte, was er dachte. Seit sie aus der Höhle aufgebrochen waren, hatte sie sich nicht sehr gut bei Kräften gefühlt, war inzwischen sehr erschöpft und hätte eigentlich eine längere Rast einlegen müssen. „Ich bin ganz in Ordnung“, schwindelte sie und drückte die zerbeulte Cappeline an sich. „Um Himmels willen, wir dürfen nicht mehr Zeit vergeuden, Cameron!“
Er steckte das Taschentuch ein. „Also gut, marschieren wir weiter. Versprich mir jedoch, dass du, sobald du zu müde wirst, so vernünftig bist, mir das mitzuteilen. Es hilft unserer Tochter nicht, wenn du unterwegs vor Erschöpfung zusammenbrichst.“
Mary nickte zustimmend.
Cameron schlug ein stetiges, wenngleich gemächliches Tempo an.
Besessen von dem Drang, schneller voranzugelangen, musste Mary sich zwingen, nicht zu rennen, denn dann wäre sie
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