HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Gesteinsprüfer-Büro vorüberschritt. Julia, Ophelia und Lady Macbeth hätte sie gespielt – und Lydia Taggert, die Schöne von Richmond. Hörte sich an, als wäre sie sogar stolz darauf! Alles hatte sie zugegeben, sogar dass sie Virgil nie geliebt hatte.
Donovan steigerte sich immer mehr in seinen Ärger hinein, während er den Pfad bergauf schritt. Sarah war eine Frau ohne Gewissen. Sie verdiente es, mit Schande aus der Stadt gejagt zu werden. Geteert und gefedert gehörte sie, hängen sollte man so eine. Damals in Richmond wäre das ihr Schicksal gewesen. Spione endeten während des Krieges gemeinhin am Galgen.
Donovan machte sich mit einem Seufzer Luft. In Wahrheit waren solche Bestrafungen nicht nach seinem Geschmack, schon gar nicht, wenn es dabei um Frauen ging. Deshalb hatte er Sarah Zeit eingeräumt für einen ordentlichen Abgang. Manch einer mochte das als Fehler ansehen, dass er sie so gehen ließ. Aber Virgil mit seiner sanften, freundlichen Art hätte das richtig gefunden.
Sarah mochte dickköpfig sein, dumm war sie nicht. Wenn sie erst einmal über alles nachdachte, würde sie schon sein Angebot nutzen, sich elegant aus der Affäre zu ziehen. Es wäre nicht nötig, ihre schmutzige Vergangenheit zu offenbaren.
Doch wenn sie nicht ging – Donovan verspannte sich bei dem Gedanken. Er würde alles daransetzen, sie aus Miner’s Gulch zu vertreiben. Auch wenn er mit allen in dem Ort über ihren Verrat sprechen müsste.
Ihm stockte einen Moment der Atem, als er an ihren Gesichtsausdruck dachte, ihren Stolz, das energisch gehobene Kinn, die leicht geöffneten Lippen, die wie zum Küssen gemacht schienen …
Verdammt! Sie übte einen Zauber auf ihn aus, und er wusste bereits, dass er dagegen nicht immun war. Wenn er schwankend wurde, wäre er verwundbar. Das wollte er lieber nicht riskieren!
Er ging den Pfad noch schneller hinauf, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her mit einem Bündel von Folterwerkzeugen. Am besten hielt er sich von Sarah fern, zu dem Schluss kam er. Mit der Arbeit an Varinas Hütte war er sowieso die ganze Woche ausreichend beschäftigt. In den Ort würde er erst wieder gehen, wenn die Frist verstrichen war. Wenn sie auch nur einen Funken Verstand besaß, war sie dann fort.
Wenn sie aber blieb, dann hatte sie sich alles selbst zuzuschreiben, was dann passierte. Eine zweite Chance bekam sie von ihm nicht.
Durch das Espenwäldchen konnte Donovan die Flickenmäntel seiner Nichten leuchten sehen. Um sie einzuholen, beschleunigte er seine Schritte nochmals. Er lächelte, als er an die Münzen dachte, die er ihnen für Pfefferminzbonbons geschenkt hatte. Varina fehlte das Geld für solche Naschereien. Aber Kinder brauchten ab und zu ein solches Vergnügen.
Hoffentlich ließ Varina es in Zukunft trotz aller Bestrebungen um Unabhängigkeit zu, dass er mehr für sie tat, als ihnen Süßigkeiten zu schenken.
Als er die Mädchen einholte, sah Katy ihn mit einem verlegenen Lächeln an. Annie mied seinen Blick sogar. Dann sah er, dass sie einen riesigen Sack Mehl an sich presste. Die beiden hatten sich offenbar keinen Naschkram gekauft.
„Sei nicht böse, Onkel Donovan“, bat Annie mit fester Stimme und dem Tonfall ihrer Mutter. „Wir mögen Süßigkeiten sogar sehr gern. Aber wir brauchen Mehl. Moms Vorrat ist aufgebraucht, und ich muss heute Nachmittag Brot backen.“
Donovan wurde die Kehle eng, und er schluckte. „Das ist lieb von dir, Annie“, meinte er und fühlte sich verletzt und wie ein Narr. „Du hättest es mir sagen müssen, wenn euch Mehl fehlt. Ich hätte euch einen großen Sack gekauft und auch noch die Süßigkeiten.“
„O nein!“, protestierte Annie. „Du bist unser Gast. Mom sagt, wir dürfen dich um nichts bitten.“
„Wenn das so ist, muss ich mal ein Wörtchen mit eurer Mutter reden.“ Donovan verfluchte Varinas Stolz. Kaum vorstellbar, dass ihre kleine Familie am Hungertuch nagte und sie nicht mal ihren eigenen Bruder um Hilfe bat.
Aber Ärger machte das alles nicht leichter. Irgendwie musste er einen Weg finden, Varina zu helfen. Es durfte ihr nur nicht als Wohltätigkeit erscheinen.
Da gab es die Mine. Sie hatte ihm eine Teilhaberschaft angeboten. Aber allein die Vorstellung, er müsse seine Tage zukünftig mit nutzlosen Grabereien auf dem Claim von Charlie Sutton verbringen, machte ihn krank.
Es musste eine andere Lösung geben, eine andere Möglichkeit, irgendwie. Er würde sich in den nächsten Tagen darüber ernsthaft Gedanken machen.
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