HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
etwas Schönes.“ Sie konnte nicht weitersprechen, weil ihr der Kummer die Kehle zuschnürte. Die Tränen flossen ihr über die Wangen, als sie sich vom Bett abwandte und den Raum verließ.
Der Nachtwind blies Sarah kühl ins erhitzte Gesicht, als sie durch das Gässchen nach Hause eilte. Ihre Gedanken drehten sich unablässig um Marie und Donovans Drohung. Einen anderen Mann hätte sie mit Charme oder Schmeicheleien umstimmen können – nicht ihn. Er war zu verbittert, zu entschlossen und zu sicher, dass sie klein beigeben würde. Nein, sie durfte ihn nicht gewinnen lassen.
Was auch passiert, den Entschluss fasste Sarah, ich werde Donovan nicht spüren lassen, wie sehr ich mich fürchte. Ich werde den Kopf hoch tragen und so weitermachen wie bisher.
Ihr Herz pochte heftig, als sie daran dachte, dass sie bisher regelmäßig nach den Müttern mit Neugeborenen gesehen hatte und dann auch Varina besuchen müsste. Käme sie nicht, würde die sich wundern. Es sei denn, Donovan hatte ihr bereits alles erzählt …
Ihr Puls raste noch mehr, als sie die Treppenstufen hinter Satterlees Laden emporstieg. Hau ab! riet ihr ihr Instinkt, stopf deine Habseligkeiten in eine Tasche, sattle das Maultier und galoppier um dein Leben.
Aber das kam nicht infrage. Miner’s Gulch war ihre Heimat. Wenn sie sich hier nicht durchsetzte, würde sie nirgendwo auf dieser Erde jemals wieder ihren Frieden finden.
Der Wohn- und Klassenraum lag im Dunkeln. Es war darinnen still und vertraut und heimelig warm, denn in dem bauchigen Ofen glühte die Kohle noch. Nachdem sie die Tür hinter sich verriegelt hatte, verharrte Sarah an der Schwelle zu ihrem Schlafraum. Ihr Blick verweilte voller Rührung auf den niedrigen Holzbänken, den Schiefertafeln, die in der Ecke in einem unordentlichen Haufen lagen, den Reihen von Summen und Minuszeichen, die mit Kreide sauber auf die Tafel gemalt waren. Es war nicht gerade ein großes Königreich, aber es war ihres. Sie hatte es sich selbst aufgebaut, mit nichts als Mut und Geduld aus dem Nichts geschaffen.
Alles ist in Ordnung, versicherte sie sich, als sie ihren Mantel aufhängte, die Tür zum Schlafraum weit öffnete und das Licht in der Messinglampe auf der Kommode entzündete. Ich habe mich hier nützlich gemacht. Ich habe das Leben einiger Menschen positiv beeinflusst.
Sie fasste nach dem hohen Kragen ihrer schlichten Musselinbluse und öffnete die Knöpfe mit geübtem Griff. Dann zog sie das Kleidungsstück aus und hängte es an einen der Haken, die ihr als Garderobe dienten. Sie musste mit ihrer Wäsche sorgsam umgehen. Die Dinge sollten noch eine Weile halten.
Mit einem müden Seufzer hob sie die Arme und zog die Nadeln aus dem Haar, um den Knoten zu lösen. Die seidigen Locken fielen herab, und das brachte plötzlich eine Erinnerung zurück – die an Donovan, seine Finger verhüllt von ihrem Haar, mit bohrendem, dunklem und heißem Blick voller Fragen.
Als sie sich drehte, sah sie sich flüchtig im gesprungenen Spiegel – mit gehobenen Armen, erröteten Wangen, leicht geteilten feuchten Lippen. Sie erstarrte und betrachtete ihr Spiegelbild. Fast war es ihr gelungen, zu vergessen, dass sie hübsch war. Einem Impuls folgend, verzog sie den Mund zu einem Lächeln, neigte den Kopf und hob die Augenbrauen. Ihr Gesicht im Spiegel drückte nun unterschwellige Sinnlichkeit und eine unmissverständliche Einladung aus. Lydia.
Sarah ließ die Arme fallen. Sie erinnerte sich an ein Gelächter. Hatte Donovan unbewusst nach Lydia gesucht, als er ihr die Nadeln aus dem Haar gerissen hatte?
Einem dunklen Trieb folgend hob sie die Arme wieder und zog das abgenutzte Unterhemd fester um die Brüste. Dann lockerte sie ihr prächtiges Haar. Kokett schlug sie die Augen nieder.
„Du bist kein gutes Mädchen!“, hörte sie auf einmal die Stimme ihres Vaters im Geiste wie aus der Vergangenheit heraufklingen. „Du verplemperst deine Zeit mit Schauspielerei. Stolzierst einher und posierst wie eine Hure. Eitelkeit ist aber das Werkzeug des Teufels. Merk dir meine Worte. Denk an sie, wenn du in der Hölle schmorst.“
Sarah wandte sich vom Spiegel ab, ihre kalten Hände zitterten. Von einem Cousin hatte sie nach dem Krieg erfahren, dass ihr Vater an einem Schlaganfall gestorben war. In den acht langen Jahren, nachdem sie mit Reginald Buckley durchgebrannt war, hatte er ihren Namen offenbar kein einziges Mal ausgesprochen.
Wenn der Wind nachts manchmal in den Kiefern heulte, hörte sie seine Stimme in ihren
Weitere Kostenlose Bücher