HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
sehr bemühte er sich, seinen Ärger zu unterdrücken. „Weiß meine Schwester, wer – was – du warst?“
„Nein. Aber selbst, wenn – ich denke, Varina wäre fair. Im Gegensatz zu dir schaut sie nach dem Guten in den Menschen.“
„Bei Frauen deines Schlages müsste sie aber ziemlich tief sehen, um etwas davon zu finden. Wir stehen wegen gestern Nacht in deiner Schuld, aber das gleicht nicht deine Schandtaten aus. Es bringt uns Virgil nicht zurück.“
Sarah fühlte sich ganz verloren bei seinen Worten. Donovan hat einen schweren Verlust erlitten, erinnerte sie sich. Dass er verbittert war, konnte sie ihm nicht verdenken. Trotzdem war Ärger ihr einziger Schutz vor ihm.
„Das reicht!“, fauchte sie. „Ich sagte schon mal, dass ich mich von dir nicht einschüchtern lasse! Frag, was du wissen willst, und dann ist es gut.“ Sie blickte zu der ramponierten Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing. „Fünf Minuten bleiben dir, dann schreie ich um Hilfe.“
„Schreien willst du?“ Er sah sie skeptisch an. „Das willst du wirklich tun?“
„Ich habe Freunde in der Stadt, wie du weißt. Zudem bin ich ausgebildete Schauspielerin.“ Sie hob das Kinn. „Ich würde sagen, fünfundzwanzig Sekunden sind vergangen. Was willst du noch von mir wissen?“
Donovan schluckte seine Empörung hinunter. Er drehte sich um und starrte mit leerem Blick hinaus. Die nächste Frage kam ihm aus tiefstem Herzen. „Warum? Wie konntest du es nur tun?“
„Du hast für deine Ideale gekämpft – ich für meine.“ Sarah sprach leise, blickte dabei seinen Rücken an. „Ich habe das Sklavenelend im Süden kennengelernt, und ich war dankbar für die Chance, dagegen kämpfen zu können.“
„War das der einzige Grund?“ Donovans Stimme drückte seine Bitternis aus. „Die heilige Sarah der Sklaven steht vor uns. Leben, das ist für dich eine Pfadfindertat nach der anderen, was?“
„Lass das!“ Hätte er nahe genug neben ihr gestanden, wäre ihr die Hand noch einmal ausgerutscht. „Ich bemühe mich, ehrlich zu sein. Du machst es mir nicht gerade leicht.“
Sie hielt inne, hoffte insgeheim auf ein versöhnliches Wort von ihm. Aber das kam nicht. Donovans Schweigen lastete wie winterliche Kälte auf ihnen, nur das Ticken der Uhr war zu hören.
Sarah machte einen Vorstoß. „Das war nicht der einzige Grund. Mein Ehemann war tot. Meine Familie hatte mich verstoßen, ich besaß kein Geld, hatte keine Arbeit, kein Zuhause. Als Spionin der Nordstaatenarmee in Richmond zu leben war die einzige …“
Donovan hatte sich umgedreht. Sarah blieb das Wort im Halse stecken, als sie ihm ins Gesicht sah.
„Dann ging’s also um deinen verdammten Vorteil! Du konntest unter äußerst angenehmen Umständen lügen und betrügen. Das Haus, die Bediensteten, die Feste – du hast in Richmond wie eine echte Dame gelebt. Verglichen mit dir sind die Frauen im Saloon wahrlich Amateure.“
„Nein.“ Sarah verhaspelte sich, weil sie unsicher wurde. Sie hatte versucht, ehrlich zu sein. Aber wozu nützte das, wenn er nicht mal zuhörte? Wie sollte sie ihm da erklären, was das alles wirklich für sie bedeutet hatte? Wie sollte sie ihm von den fürchterlichen Träumen, den Nächten voller Schuldgefühle erzählen?
Donovan spürte seinen Vorteil und brachte sich mit neuer Schärfe in die Auseinandersetzung ein. „Virgil starb in meinen Armen. Wusstest du das? Ich musste ihm versprechen, nach Richmond zurückzukehren und dir den Ring zu geben, den er für die Hochzeit gekauft hatte. Sein letztes Wort war dein sogenannter Name: Lydia.“
Er trat einen Schritt auf Sarah zu, und sie verbarg das Bedürfnis, ihm auszuweichen, als er sich vorbeugte und dabei Empörung ausdrückte. „Hast du meinen Bruder überhaupt geliebt, Sarah?“ Mit harter Stimme setzte er hinzu: „Hast du ihn trotz deiner verlogenen, gewinnsüchtigen Art wenigstens ein bisschen gern gehabt und dich um ihn gesorgt?“
Sarah zwang sich, seinen Blick voller Hass auszuhalten. Sie zitterte innerlich, aber sie würde nicht lügen. Damit war sie für immer durch.
„Virgil war der beste und liebste junge Mann, den ich jemals kennengelernt habe. Ich hatte ihn sehr gern. Aber ich konnte es mir nicht gestatten, ihn zu lieben. In meiner Situation konnte ich niemanden lieben.“
Verächtlich wandte sich Donovan ab. „Das wollte ich wissen.“ Er sah zur Uhr hinauf. „Meine Zeit ist um. Ich werde jetzt gehen.“ Er strebte zur Tür, Sarah stand wie zur Säule erstarrt da,
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