HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Hustenanfall überwältigte sie. Das Tuch, das ihr Greta vor den Mund hielt, zeigte bald Blutflecken.
„Sprich nicht“, murmelte Sarah. Ihre Gefühle überwältigten sie. „Ich habe dir noch mal Kamillentee mitgebracht. Den magst du doch so gern. Die Mädchen können ihn dir kochen.“ Schon kramte sie in der Tasche nach dem Paket, dabei konnte sie wegen ihres Tränenschleiers kaum sehen. Marie gehörte in ein richtiges Krankenhaus mit ausgebildeten Ärzten und Schwestern oder in sonnigwarmes Klima, wo ihre Lungen ausheilen würden. In diesem elenden Nest gab es für sie keine Chance.
„Sie hat den ganzen Tag nicht geschlafen, nur gehustet, das arme Lämmchen.“ Eine Frau von fast vierzig mit freundlichen Augen und grellrot gefärbtem Haar trat aus dem Dunkel hervor und nahm die Kamille an sich. „Ich werde Wasser aufsetzen. Vielleicht beruhigt der Tee sie etwas.“
„Danke“, sagte Sarah sanft. „Du bist so gut zu ihr gewesen, Faye.“
„Wir müssen uns gegenseitig helfen. Sonst ist ja niemand da – außer Ihnen natürlich, Miss Sarah. Sie sind für uns ein wahrer Engel.“
„Ach ja“, stimmte Greta zu. „Aber hör mal. Wir mussten schon wieder mit diesem widerlichen Smitty herumstreiten. Er sagt, wenn Marie zu krank ist, um die Kundschaft zu bedienen, kann er ihr nicht Kost und Logis bieten.“
„Nicht schon wieder.“ Sarah seufzte müde. Sie erinnerte sich nur zu gut an die Auseinandersetzung mit dem geizigen Besitzer des Saloons. Smitty behandelte die Mädchen wie Vieh, ohne sich um ihr Wohlergehen zu sorgen. Sie hatten in der schrecklichsten Furcht vor ihm gelebt, bis Sarah letztes Jahr eingeschritten war. Die Bedingungen waren seither etwas besser geworden, aber im Grunde war der alte Geizhals so hartherzig wie immer.
Traurig sah Sarah auf Maries bleiches Gesicht. Sie war der Anlass für ihren ersten Besuch in diesen Räumen über dem Saloon gewesen. Das arme Mädchen hatte eine Fehlgeburt gehabt und war halb tot gewesen, als Faye voller Verzweiflung mitten in der Nacht an Sarahs Tür geklopft hatte. Damals hatte sie ihr Leben retten können. Aber diesmal konnte sie nichts für sie tun. Sie hatte weder die Fachkenntnisse noch die Medikamente, um die verheerenden Folgen der Schwindsucht auskurieren zu können.
Maries Haut war so durchsichtig, dass man an ihren Schläfen die Adern bläulich durchschimmern sah. Ihre Wangen glühten wie zwei grellrote Nelken inmitten der Blässe. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Das ist alles so unfair, dachte Sarah verbittert. Die süße und freundliche Marie hat niemals jemandem mit Absicht Kummer zugefügt. Sie hätte ein besseres Leben verdient gehabt – ein Heim, Kinder, die Liebe eines ordentlichen Mannes. Jetzt endete selbst dieses kurze, traurige Leben so früh.
„Ich könnte sie zu mir mitnehmen. Immerhin würde Smitty sie da in Ruhe lassen.“
„Nein“, mischte sich Greta eilig ein. „Wie willst du die Kinder unterrichten, wenn Marie bei dir liegt? Was würden ihre Mütter wohl dazu sagen? Du müsstest deine kleine Schule schließen.“
„Wir kriegen das mit Smitty schon hin. Mach dir darüber bloß keine Sorgen“, fügte Faye hinzu. „Wir haben auf deinen Rat gehört und ihm erzählt, dass wir alle aufhören zu arbeiten, wenn er Marie nicht bleiben lässt. Er muss sich darauf einlassen, denn ihm bleibt keine Wahl. Für ein Nest wie dieses bekommt er keine neuen Mädchen.“
Sarah seufzte müde und strich über Maries dunkles, feuchtes Haar. „Gib ihr so viel Tee, wie sie mag. Sonst kannst du nichts machen. Morgen komme ich wieder, um nach ihr zu sehen.“
„Nicht nötig, dass du jede Gelegenheit nutzt“, meinte Faye. „Du weißt, was einige Frauen im Ort sagen würden, wenn sie von deinen Besuchen Wind bekämen.“
Sarah nickte, Faye hatte recht. Es gab in Miner’s Gulch ein selbsternanntes „oberes Zehntausend“. Als dessen Anführerin betrachtete sich Mrs. Eudora Cahill. Sie würde sie sofort als gesellschaftliche Null brandmarken, wenn sie wüsste, dass sie mit Smittys Mädchen Kontakt pflegte. In den kommenden Tagen würde ihre Unterstützung wichtiger sein als je zuvor. Aber im Moment brauchte Marie sie. Auch wenn es nicht klug war, man wandte sich nicht von einem Freund in Not ab.
Sie lehnte sich vor, streichelte Maries dürre Hand und fühlte, wie die mit schwachen Fingern ihre Hand umklammerte. „Morgen komme ich wieder“, flüsterte sie. „Versuch in der Zwischenzeit, etwas zu schlafen – und träum dabei
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