HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
widerspenstige Nägel eindrosch.
Sarah lächelte schief. Eins stand jedenfalls fest: Ein Zimmermann war Donovan Cole nicht gerade. Donovan war so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er Sarahs Ankunft bisher noch gar nicht wahrgenommen hatte. Trotz der Morgenkühle hatte er sich sein Hemd ausgezogen. Deswegen konnte sie seine Muskeln und seine golden schimmernde Haut sehen. Er war mit einem solchen geradezu unheimlichen Eifer bei der Sache, dass Sarah das Lächeln bald verging und sie stattdessen wieder Angst bekam.
Das Maultier schnaubte und schüttelte sein zotteliges Winterfell, als sie es weiter den Pfad hinauftrieb. Jetzt erst hielt Donovan inne, um auf sie hinabzustarren. Sein verächtlicher Blick ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
„Ich komme, um Varina und ihren neugeborenen Sohn zu besuchen“, erklärte sie und hob das Kinn.
„Der geht’s gut“, fuhr er sie an. „Dem Baby auch. Wir brauchen deine Hilfe nicht.“
„Es ist nicht dein Job, mir das zu sagen, Donovan.“ Sarah schwang sich aus dem Sattel, die Arzneitasche unter dem Mantel. „Wenn ich das von deiner Schwester höre, gehe ich.“ Sie wandte sich ab und strebte geradewegs der Veranda zu.
„Keinen Schritt weiter.“ Donovans scharfe Stimme traf sie. „Lady, wenn ich dir keine höllische Szene machen soll …“
„Miss Sarah!“ Katy kam aus der Hütte gesprungen, ihre karottenfarbenen Zöpfe tanzten dabei. „Ich kann jetzt zusammenzählen und abziehen. Onkel Donovan hat mir geholfen. Komm mit, ich zeige es dir.“
„Das ist ja großartig, Katy.“ Sarah nahm die Hand der Kleinen und stieg die Stufen hoch, ohne Donovans vernichtenden Blick zu beachten. Was hatte er seiner Schwester erzählt? Varina war eine ihrer engsten Freundinnen hier in Miner’s Gulch. Aber bisher hatte Varina ja auch nichts über ihre Vergangenheit gewusst.
Sarah betrat die Hütte, in der es kaum Licht gab, und stellte sich darauf ein, dass ihr Feindseligkeit entgegenschlagen würde. Auch wenn Varina schon vor dem Krieg in den Westen gezogen war, hatte sie die Tragödie genauso betroffen. Wie Donovan hatte sie ihr Elternhaus verloren und den geliebten jüngsten Bruder. Wer könnte es ihr verdenken, wenn sie die Frau hasste, die daran Schuld trug?
„Komm her, Miss Sarah!“ Katy zog eifrig an ihrer Hand. „Guck dir erst den kleinen Charlie an. Dann zeige ich dir meine Rechenaufgaben.“
Nach und nach gewöhnten sich Sarahs Augen an das Halbdunkel. Annie wusch das Geschirr, der kleine Samuel trocknete es unbeholfen ab. In der dunkelsten Ecke saß Varina im Bett und stillte das Baby. Sarah stockte der Atem.
Varina lächelte. „Sarah.“ Sie winkte ihr zu. „Ich hoffte, du würdest heute kommen. Wie du siehst, geht es Charlie und mir gut. Aber ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, dir für deine Hilfe bei der Geburt zu danken. Setz dich zu mir.“
Sarah stellte den Arzneikoffer ab und bewegte sich langsam auf das Bett zu. Tränen stiegen ihr dabei in die Augen. Donovan hatte ihr offenbar bisher nichts erzählt – niemandem …
„Hier“, Varina umfasste ihre Schultern und drückte sie so liebevoll an sich, dass es Sarah fast das Herz brach. „Wir verdanken dir unser Leben. Ich kann dir das nie vergelten, aber wenn du etwas brauchst …“
„Das ist schon in Ordnung, Varina.“ Sarah hatte Mühe, überhaupt einen Ton hervorzubringen. So eng war ihr die Kehle. „Dich hier inmitten deiner kleinen Familie zu sehen ist Belohnung genug. Mehr brauche ich nicht.“
„Trotzdem …“ Varina zog Sarah so zu sich, dass ihre Augen auf gleicher Höhe waren. Sie ähnelten denen ihres Bruders, nur dass sein Blick Eiseskälte ausdrückte, während in ihrem viel Herzlichkeit lag.
Sie drückte Sarahs Arm. „Trotzdem, Sarah. Du sollst wissen, dass ich für alle Zeiten deine Freundin bin. Wenn du irgendetwas brauchst, sag es ruhig.“
„Varina, ich habe nur meine Christenpflicht getan. Das ist schon in Ordnung.“ Sarah meinte zu ersticken. Ich sollte ihr jetzt die Wahrheit sagen, überlegte sie. Dann bin ich damit durch. Doch sie schaffte es nicht. Nicht jetzt, in diesem friedlichen Augenblick mit den Kindern in der Nähe. Die kleine Katy zerrte an ihrem Rock, und Annie sah sie immer wieder über die Schulter ernst an. Varina würde alles sowieso bald erfahren.
Das Baby wimmerte, wand sich und ließ die Brustwarze los. Es wurde vergnügt begrüßt. Varina lächelte zärtlich. „Scheint, als ob das Würmchen genug hat. Du kannst ihn jetzt mal
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